Rory Kennedy und das vietnamesische Trauma

Washington · Als Laie staunt man immer wieder aufs Neue, wie groß der Kennedy-Clan ist. Und wie es sich immer wieder bewahrheitet, das Wort vom Kennedy-Fluch, dem ständigen Wechselspiel zwischen Erfolg und Schicksalsschlägen, sich mit dieser Familie verbindet wie mit kaum einer zweiten.

 Die Dinge bis zum Ende denken, um alle Möglichkeiten durchzuspielen: Filmemacherin Rory Kennedy. TV-Foto: Frank Herrmann

Die Dinge bis zum Ende denken, um alle Möglichkeiten durchzuspielen: Filmemacherin Rory Kennedy. TV-Foto: Frank Herrmann

Washington. Ihr Name taucht selten in den Schlagzeilen auf: Rory ist das elfte Kind Robert F. Kennedys, der seinem Bruder John F. ab 1961 als Justizminister diente und 1968 selber fürs Weiße Haus kandidierte. Als ihre Mutter Ethel schwanger mit ihr war, wurde RFK im Ambassador-Hotel in Los Angeles von einem Palästinenser namens Sirhan Sirhan erschossen.
Als Rory im Juli 1999 heiraten wollte, verunglückte John F. Kennedy junior, ihr Cousin, beim Absturz seines Privatjets auf dem Weg zur Feier am Atlantikstrand von Hyannis Port. Später war Rory die Erste am Unfallort, als ihr Bruder Michael auf einer Skipiste in Aspen gegen einen Baumstamm fuhr und die Kollision mit seinem Leben bezahlte. Die Tragödien des Clans, sie scheinen geradezu gebündelt im Leben der blonden Frau mit dem charakteristischen Kennedy-Lächeln.
Zwei dramatische Tage


Nun hat sich die 45-Jährige eines amerikanischen Traumas angenommen, zweier dramatischer Tage Ende April 1975, als die westliche Supermacht ihre Segel in Saigon streichen musste. Ein Foto, das die panikartige Flucht vor den heranrückenden Nord-vietnamesen illustriert, gehört seither zu den prägnantesten Symbolbildern amerikanischer Geschichte. Auf dem Dach eines Gebäudes parkt ein Hubschrauber, während Dutzende Menschen, viel zu viele für den kleinen Helikopter, darauf warten, an Bord klettern zu dürfen. Es war nicht das Botschaftsdach, wie es immer heißt. Vielmehr handelte es sich um ein Quartier der CIA.
"Last Days in Vietnam" heißt der Film, in dem Kennedy dokumentiert, welche Kette von Irrtümern dem überhasteten, improvisierten Exodus vorausging. Da ist Graham Martin, der Botschafter der USA. Dass Saigon fallen könnte, wollte er nicht wahrhaben, bis es zu spät war. Die sture Realitätsverweigerung hatte eine chaotische Evakuierung zur Folge, bei der Martin, vom Typ her ein Gentleman alten Schlages, dann allerdings stoisch Haltung bewies.
Einem Piloten, der ihn auf ein im Südchinesischen Meer kreuzendes Kriegsschiff bringen sollte, ließ er ausrichten, er gehe erst dann, wenn so viele südvietnamesische Flüchtlinge wie möglich ausgeflogen seien. Da ist der Captain der Armee, den noch heute Schuldgefühle plagen, weil die Amerikaner 420 Vietnamesen neben einem Swimmingpool zurückließen, obwohl sie versprochen hatten, alle herauszubringen, die es über die Mauern der Vertretung ins Innere geschafft hatten.
Und da sind die letzten elf Marineinfanteristen, Wachpersonal der Mission, die am 30. April 1975, morgens um acht, von einem Hubschrauber abgeholt wurden. Sie hatten die Stahltüren hinter sich verriegelt, damit die zurückbleibenden Einheimischen das Dach nicht erreichen konnten.
Ihr Vater Robert, begründet Rory Kennedy ihr Interesse an den Dramen der Niederlage, hätte den Vietnamkrieg sicher rascher beendet, wäre er ins Oval Office gewählt worden. Zudem könne man eine Lektion lernen aus dem April 1975, nämlich, wie schnell alle Szenarien über den Haufen geworfen werden, wenn ein Krieg seine Dynamik entfaltet. Egal, ob in Vietnam, im Irak oder in Syrien. "Bevor du hineingehst in einen solchen Konflikt, musst du die Dinge bis zu Ende denken. Gleich am Anfang musst du entscheiden, wie du wieder herauskommst aus so einem Konflikt", sagt sie.

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