Streifzug durch den Kunstbetrieb

Trier · Seit 2002 gibt es in Rheinland-Pfalz das Freiwillige Soziale Jahr im Bereich Kultur. An der Europäischen Kunstakademie in Trier nutzt Tom Wegel die Möglichkeit, als Freiwilliger noch ein Jahr Zeit für die Berufswahl zu haben und währenddessen in den Kunstbetrieb hineinzuschnuppern.

 Ein Team in der Haustechnik: Tom Wegel (links) lernt von Willi Frankreiter, Bilder nach Galeriemaß aufzuhängen. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Ein Team in der Haustechnik: Tom Wegel (links) lernt von Willi Frankreiter, Bilder nach Galeriemaß aufzuhängen. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Trier. Tom Wegel schiebt einen ausrangierten Einkaufswagen in einen Kursraum an der Europäischen Kunstakademie (EKA). Darin liegt sein Werkzeug. "Heute lernt er, Bilder zu hängen", sagt Willi Frankreiter, ein Mann im Blaumann, Haustechniker, Hausmeister und Ausstellungskurator in Personalunion. An seiner Seite verbringt der 18-jährige Tom die ersten sechs Monate seines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) im Bereich Kultur.20 Freiwillige in der Region

So wie Tom schnuppern weitere 19 Freiwillige in der Region in kulturelle Einrichtungen hinein. Sie sind auf elf Stellen in Trier und eine in Saarburg verteilt. Zuständig für die Organisation ist das Kulturbüro Rheinland-Pfalz. Dieses Jahr gibt es in Rheinland-Pfalz 100 FSJler im Kulturbereich. Viele sind leer ausgegangen bei sechs Bewerbungen auf eine Stelle. Tendenz steigend.Das Geld kann dabei nicht der Anreiz sein. Tom arbeitet Vollzeit und verdient 320 Euro. Dafür pflegt er die Außenanlage und staffiert die Kursräume mit Tischen, Staffeleien und Malpaletten aus, macht kleinere Reparaturen, streicht Wände. Im zweiten Halbjahr wird Tom in die Verwaltung wechseln. Vor der Metallwerkstatt präsentiert er stolz ein mehrere Meter langes Stahlregal, an dem er mitgebaut hat. Tom hat geflext, geschweißt, abgeschliffen, angestrichen. Von solchen Arbeiten profitiert der 18-Jährige. Seine Stärke liegt im Kreativen. Er zeichnet, spielt Schlagzeug, fotografiert. Seine Kunstlehrerin an der Ehranger Johann-Amos-Comenius Realschule, wo er im Sommer die mittlere Reife erlangt hat, ist von seinem Talent überzeugt und hat ihm geraten, es beruflich zu nutzen. Nur wie? Darüber hofft sich Tom Wegel in dem Jahr an der Kunstakademie klarer zu werden. An der EKA lernt er von der Pike auf, eine Ausstellung zu organisieren und zu realisieren. Fester Bestandteil eines FSJ ist die Durchführung eines Projektes. Bei Tom wird es die Ausstellung der Akademiedozenten sein. Bis es so weit ist, übt er. Mit Wasserwaage, Zollstock, Hammer und Nägeln bringt er für die aktuelle Ausstellung die Bilder von HGT-Schülern an die Wand. "Die Mitte des Bildes muss auf 1,45 Meter Höhe hängen. Das ist Galeriemaß", erklärt ihm Frankreiter. Tom misst das Bild aus, legt den Zollstock an die Wand, macht mit dem Bleistift Markierungen, schlägt Nägel ein, hängt das Bild daran. Zum Schluss legt er prüfend die Wasserwaage auf den Rahmen. Passt."Es ist eine Gewinnsituation für beide Seiten", beschreibt Moka Biss, Koordinatorin im FSJ Kultur im Kulturbüro Rheinland-Pfalz, den Reiz. Für die Freiwilligen sei es eine Möglichkeit, ins Berufsleben einzusteigen. Tom sieht vor allen Dingen einen Gewinn für sich: Im Herbst darf er kostenlos an einem Kurs teilnehmen, in dem ihm ein Profi hilft, eine Bewerbungs-Mappe mit seinen künstlerischen Werken anzulegen. Gabriele Lohberg, Leiterin der EKA, ist froh über die zusätzliche Hilfe. "Wir machen nur gute Erfahrungen. Die FSJler bringen frischen Wind rein. Es gibt harte Kämpfe um ihn", lacht sie Tom an und fügt ernst hinzu: "Wir brauchen ihn." Dann nimmt sie Tom mit zur Frühstückspause, in der sie gemeinsam besprechen, was als Nächstes auf dem Tagesprogramm steht. Das Freiwillige Soziale Jahr ist eine Vollzeitbeschäftigung über den Zeitraum eines Jahres. Mögliche Einsatzorte sind: Theater, Museen, Kunstschulen, Musikvereine, Offene Kanäle, soziokulturelle Zentren oder Bildungsstätten, Zirkusprojekte, Programmkinos. Für seine Arbeit erhält der FSJler 320 Euro im Monat und ist sozialversichert. Am Ende des Jahres gibt es ein Zertifikat. Das FSJ lässt sich auch als Wartesemester oder Praxiszeit für Ausbildungszwecke anrechnen. Derzeit arbeiten 80 Einrichtungen in Rheinland-Pfalz mit dem Kulturbüro zusammen. Einsatzorte in der Region sind unter anderem das Stadttheater, die mobile Spielaktion, Kulturbüro, die Europäische Kunstakademie, das Landesmuseum sowie das Lokale Bündnis für Familie in Saarburg. Bewerben kann sich jeder, der zwischen 16 und 26 Jahren alt ist. sys fsjkultur-rlp.de

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