Tiefste Innerlichkeit und höchste Ekstase

Trier · Mit barocker Kirchenpracht und Musik desselben Zeitalters ist das Mosel Musikfestival 2014 in St. Paulin in Trier eröffnet worden. Die gut 450 Gäste erlebten einen Abend voller Gemütstiefe und virtuoser Klänge.

Trier. Die Engel im prächtigen Kirchenschiff von St. Paulin hatten gut lachen. Schließlich spielen auch sie Musik von Johann Sebastian Bach, wenn sie dem lieben Gott eine Freude machen wollen - das behauptet zumindest der Philosoph Isaiah Berlin. Der Großmeister der Barockmusik stand im Mittelpunkt des festlichen Konzerts zum Auftakt des Mosel Musikfestivals, das sich die Musik des Barock zum Schwerpunkt gewählt hat. Genuss mit allen Sinnen war angesagt, gemäß dem Thema des rheinland-pfälzischen Kultursommers. Genuss gab es dann auch umfänglich. Mit dem Anblick der kirchlichen Pracht verband sich die Musik zum ganzheitlichen Erlebnis barocker Geistes- und Gefühlswelt.
Spannend und kurzweilig


"Endlich ist es wieder so weit", freute sich auch die Schirmherrin, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, über den Start des "ältesten, wichtigsten und größten Musikfestivals" des rheinland-pfälzischen Kultursommers. "Das Mosel Musikfestival bringt die Region voran", bestätigte Dreyer und dankte Festivalintendant Hermann Lewen für sein nachhaltiges Engagement. Um Entschleunigung ging es dagegen dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Festivals, Thomas Egger. Ein "Kontrapunkt zur Schnelllebigkeit der Zeit" seien Musik wie Festival, betonte der Trierer Kulturdezernent.
Wie schnelllebig seinerzeit das barocke Zeitalter war, mag dahingestellt sein. Kurzweilig war es auf jeden Fall, dazu spannend, zudem voller Brüche und Widersprüche, wie auch das Programm des Abends bestätigte. Als Mischung aus tiefster Innerlichkeit und höchster Ekstase vergegenwärtigten die Musiker der Akademie für Alte Musik Berlin (darunter der vorzügliche Oboist Michael Bosch) und die Solisten eindrucksvoll, was Barock bedeutet. Neben den Kompositionen von Vater Bach enthielt das Programm Werke von Sohn Wilhelm Friedemann, Antonio Vivaldi und Georg Philipp Telemann. Feinsinn, rhythmische Prägnanz und ansteckende Spielfreude zeichnet die Berliner Spezialisten für Alte Musik aus. Das wurde in Johann Sebastian Bachs Suite Nr.2 in h-Moll deutlich. Zudem sind die Berliner, wie gleich zu Beginn die "Ouverture" der beliebten Suite zeigte, Musikanten mit ausgeprägter Lust am musikalischen Dialog.
Als virtuoser Flötist präsentierte sich Stefan Temmingh in den Tänzen Bourée und Polonaise. Einem antiken Faun gleicht der dunkelhaarige Südafrikaner, wenn er oben auf der Bühne mit seiner Flöte tanzt, sich in ihren Melodien windet und bisweilen gleichsam mit der Musik zum Sprung ansetzt. Wie das Instrument des alten Fabelwesens kann auch Temminghs atemberaubende Flöte betörend singen, locken, träumen, übermütige Purzelbäume schlagen und in wilder Lust rasen.
Als weitere Solistin trat Dorothee Mields auf. In der etwas schwierigen Akustik der Kirche hatte es der schlanke, reine Sopran der Barocksängerin, die ein hervorragendes Gefühl für das rechte Maß an Verzierungen hat, oft schwer, sich gegenüber dem Orchester und den Instrumentalisten Gehör zu verschaffen. Bestens gelang das Zusammenspiel in der Aria "Schafe können sicher weiden" aus Bachs Kantate "Was mir behagt, ist nur die muntere Jagd". Engelrein stieg die Stimme der Sängerin zum Himmel auf. Warm und tröstlich erklang sie in der Mittellage. Ein Höhepunkt war Wilhelm Friedemann Bachs Konzert für Cembalo, Streicher und Basso continuo in f-Moll. Wiebke Weidanz leichtes, filigranes Cembalospiel - wunderbar nachdenklich im Andante - wies bereits weit hinaus in die feinsinnige Geisteswelt und Tonsprache des Klassizismus. Das Publikum dankte mit langanhaltendem Beifall.Extra

Das Mosel Musikfestival lädt Besucher zu 50 Veranstaltungen an 34 Spielstätten ein. Mit "LJO - Brass im Wingert" geht es am Freitag, 11. Juli, 20.30 Uhr, beim bereits ausverkauften Open Air im ehemaligen Kloster Stuben in Bremm (Kreis Cochem-Zell) weiter. Am Freitag, 18. Juli, 20 Uhr, folgt der Auftritt von Tenor Klaus Florian Vogt im Kloster Machern in Bernkastel-Wehlen. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier, unter 0651/7199-996 und auf www.volksfreund.de/tickets

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