Von Leichtigkeit bis Leidenschaft

Schweich · In der New Yorker Carnegie Hall ist der israelische Pianist und Komponist Matan Porat bereits aufgetreten, nun hat er im Rahmen des Mosel Musikfestivals in der ehemaligen Synagoge Schweich konzertiert. Dort schenkte er seinen Zuhörern ein beseeltes und intensives kammermusikalisches Erlebnis.

 Als ausdrucksstarker Künstler präsentiert sich Pianist Matan Porat beim Konzert in der ehemaligen Synagoge Schweich. TV-Foto: Anke Emmerling

Als ausdrucksstarker Künstler präsentiert sich Pianist Matan Porat beim Konzert in der ehemaligen Synagoge Schweich. TV-Foto: Anke Emmerling

Schweich. Als Person wirkt der 32-jährige Matan Porat eher scheu, doch am Flügel entwickelt er eine Präsenz aus Hingabe und Ausdruckskraft, die den Zuhörer einfach in ihren Bann zieht. Für sein Schweicher Konzert hat er die "Musica Ricerata" des rumänisch-stämmigen Komponisten Gyögy Lligeti (1923-2006), drei posthum veröffentlichte Klavierstücke von Franz Schubert (1797-1828) und die Davidsbündlertänze von Robert Schumann (1810-1856) ausgewählt. Wer zunächst ob dieser Zusammenstellung stutzt, erkennt in Porats Spiel bald den verbindenden roten Faden: Alle Kompositionen haben etwas Tänzerisches und entführen in ein großes Spektrum kontrastierender Stimmungen.
Kluge Schachzüge


Mit Lligetis Werk zu beginnen, ist ein kluger Schachzug Porats. Denn damit ermöglicht er seinem Publikum, ihn über ein Grundprinzip des Komponierens und Interpretierens kennenzulernen: die Suche nach einem eigenen musikalischen Ausdruck. Lligeti, dessen Musik Regisseur Stanley Kubrick für Filme nutzte, experimentiert in "Musica Ricerata" mit einer von Satz zu Satz ansteigenden Zahl der verwendeten Töne. Im ersten Satz ist es zunächst nur einer, das "A". Porat lotet ihn förmlich aus, lässt ihn in verschiedenen Höhen schmettern, zart verhallen oder rhythmische Muster formen, so dass der eine Ton alles andere als eintönig wirkt.
Auch in den Folgesätzen gibt sich der Pianist mit Verve dem forschenden Spiel um tonale Wirkungen hin, bis er es mit wunderbarer Leichtigkeit in ein tänzerisches Muster münden lässt. Tatsächlich hatte sich Lligeti bei dieser Komposition nicht vom Einfluss Bela Bartóks und seiner ungarischen und rumänischen Tänze frei machen können. Hier liegt die Verbindung zum nächsten Programmpunkt, mit dem Porat endgültig auch diejenigen packt, für die das Eingangswerk noch gewöhnungsbedürftig klang. In Franz Schuberts Klavierstücken blitzt tschechische Folklore, ebenfalls mit Tanzcharakter durch. Allerdings äußert sich in dieser Komposition aus dem Todesjahr Schuberts auch ein Ringen zwischen Schwermut und zarter Milde, das der Pianist mit überwältigendem Feingefühl herausarbeitet.
Robert Schumanns Davidbündlertänze schließlich geben ihm die Möglichkeit, alle bisher angeklungenen Facetten meisterhaft auszuspielen. In den zwei fiktiven Persönlichkeiten zugeordneten Stücken zeichnet er Charakterzüge in einem fein nuancierten Spektrum von zarter Empfindsamkeit über heitere Ausgelassenheit bis zu dramatischer Leidenschaft nach. Zum Schluss trumpft er noch mit der kraftvoll-dynamischen Variation eines Tangos Astor Piazollas auf. Zurück bleibt der Eindruck von einem Künstler, dem es gegeben ist, das Wesen von Musik zu beseelen, sie atmen zu lassen.

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