Zurück in die Zeit von Kurt Cobain

Metz · Wer Erinnerungen an eine Jugend in den 90er Jahren hat, kann sich derzeit in Metz auf Zeitreise begeben. "Das Jahrzehnt" heißt eine Ausstellung im Centre Pompidou, die neben der Kunst auch den Alltag der 90er beleuchtet.

Metz. Selbst Kunstbanausen können sich getrost ins Auto setzen und nach Metz fahren. Zumindest diejenigen, die zwischen 1965 und 1977 geboren wurden und damit zur "Generation X" gehören, werden im Centre Pompidou einen guten Tag verbringen - und alle, die aus irgendeinem anderen Grund glauben, dass Kurt Cobains Nirvana den Sound ihrer Jugend machte, auch.
Noch bis zum 2. März 2015 zeigt die in einem futuristischen Gebäude untergebrachte kleine Schwester des berühmten Pariser Kulturzentrums eine Ausstellung über die 90er Jahre, über die Zeit zwischen 1984 und 1999. Über das Jahrzehnt, in dem die Generation X jung und wild war.
Die etwa eineinhalbstündige Anreise aus der Region Trier eignet sich bestens, um darüber nachzudenken, was die Jugend dieser Generation von anderen unterscheidet. Die Kindheit ohne Internet und Handy? Die quietschlebendigen Subkulturen? Lara Croft, Lady Di, Dolly das Schaf und Tutti Frutti?
Das Gefühl, lange studieren zu können, wirklich dagegen zu sein, oder die ebenso peinlichen wie heimlichen Vatergefühle für Helmut Kohl? Der Nebel auf der Tanzfläche, der Zigarettenqualm in den Uni-Gängen, diese diffuse Düsternis? Das schwierige Verhältnis zum Staat, die Verachtung für den Mercedes-Stern oder die Weigerung, erwachsen zu werden?
Die Ausstellung bietet keine Antwort. Aber sie öffnet die Schleuse zur Erinnerung. Neben zahlreichen Kunstwerken aus jener Zeit - zum Beispiel von Peter Fischli und David Weiss, Liam Gillick, Philippe Parreno, On Kawara oder Paul McCarthy - gibt es dort Dinge zu sehen, die damals zum Alltag gehörten: Filmplakate (Jurassic Park, Die Gremlins, Alien 3), ein Walkman, ein Game Boy, eine Slim-Fast-Kur, das Porträt von Laura Palmer (jenem Mädchen, das gleich zu Beginn der Serie Twin Peaks ermordet wird), Plastikdinosaurier und Fotos, die einfach mit Tesa auf die Tapete geklebt wurden.
Sie zeigen Menschen in Springerstiefeln (guter Schutz beim Pogotanzen) und zerrissenen Jeans (die ihre Löcher dem Verschleiß und nicht der Mode schulden). Sie zeigen versiffte WG-Küchen, die erste Love-Parade und das gute Sunil.
"Es ging uns eher darum, die Epoche noch einmal zu leben, als sie scharf zu umreißen", sagt Stéphanie Moisdon, Kuratorin der Ausstellung. Der Besucher soll seine eigenen Erinnerungen und Vorstellungen in den Raum projizieren. Dabei hilft ihm, dass es einen Soundtrack zur Ausstellung gibt. Per Audiopen (ein Stift, der Dateien abspielt, wenn man ihn auf eines der Kästchen im Ausstellungsheft hält) kann man zwischen 26 verschiedenen Titeln wählen, darunter sind neben Rape Me von Nirvana auch Batdance von Prince, Common People von Pulp, Sour Times von Portishead und diverse sehr schöne französische Lieder (schließlich liegt Metz im Ausland). Wer Französisch kann, ist auch bei einigen der übrigen Audiodateien im Vorteil. Zu hören sind Interviews mit mehr als 20 internationalen Künstlern (wie Liam Gillick), Schriftstellern (Michel Houellebecq) oder Filmkritikern (Philippe Azoury), die ihre persönliche Sicht auf die 90er Jahre schildern.
Auch für Kunstbanausen lohnt nach der Durchquerung des Jahrzehnts ein Besuch der übrigen Ausstellungen (siehe Extra) - ehe man sich dann (vielleicht nach einem Rauschkauf kulinarischer Köstlichkeiten im überdachten Metzer Markt) auf der Rückfahrt die Frage stellt, wie denn die Generation X heute lebt. Wir waren so dagegen. Was ist aus uns geworden?
Öffnungszeiten: montags bis freitags 11 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 20 Uhr, sonntags 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 7, 10 oder 12 Euro, je nachdem, wie viele Ausstellungsbereiche geöffnet sind.
Extra

Leuchttürme (Dauerausstellung): Zu sehen ist eine Auswahl an Meisterwerken aus dem Centre Pompidou in Paris, die aufgrund ihrer monumentalen Größe nur selten gezeigt wurden. Urformen (bis 5. Januar 2015): Die (sehr sehenswerte) Ausstellung kreist um die Faszination für einfache Formen, ob sie nun aus der Natur, der Frühgeschichte oder der Gegenwart stammen, und illustriert, wie diese Formen die Moderne beeinflussten. kah

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