reingehört

Es ist - bis heute - eines der ambitioniertesten Projekte der U-Musik: die vom amerikanischen Jazzimpresario Norman Granz initiierte Reihe der Songbook-Serie, die das Schaffen von Komponisten wie Cole Porter, George Gershwin, Irving Berlin oder Duke Ellington würdigt. Mit zu den beispielhaften Interpretationen haben erstklassige Orchester beigetragen - und Ella Fitzgerald, die mit diesen Alben ein frühes Meisterstück ihrer Karriere lieferte.

Nr. 2 der Songbook-Serie war einem Duo gewidmet, bei dem das Attribut "genial" ausnahmsweise einmal nicht zu großspurig daherkommt: dem Komponisten Richard Rodgers und dem Textdichter Lorenz Hart. Beide waren gebürtige New Yorker, beide hatten deutsche Vorfahren - Hart war über verschlungene Pfade mit Heinrich Heine verwandt. Dass der Komponist und der Textdichter von einem gemeinsamen Freund miteinander bekanntgemacht wurden - Hart war 23, Rodgers gerade 16 und übte sich an ersten Kompositionen auf dem elterlichen Flügel - darf man getrost als eine Sternstunde des Broadway-Musicals ansehen. Rodgers\' Kompositionen waren melodisch einfallsreich und harmonisch raffiniert; Harts "lyrics" großstädtisch, elegant, sarkastisch, frivol. Töne und Texte ergaben brillant funkelnde Pop-Kleinode, die bis heute nichts von ihrem Glanz verloren haben. Kann man sich eine bessere Interpretin vorstellen als die "First Lady of Song and Jazz", Ella Fitzgerald? Sie trifft den Ton dieser 35 Lieder (von insgesamt 500, die die beiden im Laufe ihrer 27-jährigen Teamarbeit geschrieben haben) mit traumhafter Sicherheit: die Ausgelassenheit über eine neue und die unendliche Tristesse über eine beendete Liebe, die glitzernde Eleganz einer Weltstadt ebenso wie die Einsamkeit in den Häuserschluchten von Manhattan, die gepflegten Anzüglichkeiten und den bitteren Sarkasmus, als dessen Meister Hart einsame Spitze ist. Der, Tragik seines Lebens, ein zutiefst zerrissener Mensch war: Er litt an seiner nicht ausgelebten Homosexualität ebenso wie an seinem unmäßigen Alkoholkonsum, an dem er im Alter von 48 Jahren regelrecht krepiert ist. Einer der besten Songs dieser Kollektion ist ein herzergreifender Trauergesang: "A Ship with-out a sail". Man hätte es auf Harts Grabstein meißeln können. Rainer Nolden Ella Fitzgerald Sings the Rodgers & Hart Songbook, Essential Jazz Classics EJC 55641, über in-akustik.

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