unterm Strich - Die Kulturwoche

In dieser Woche stand einer unbestreitbar im Mittelpunkt: der von vielen als Jahrhundertautor gelobte Günter Grass. Nach dessen Tod am vergangenen Montag verneigten sich Politiker, Schriftsteller-Kollegen und Kritiker reihenweise vor der literarischen Leistung und dem politischen Engagement des Literaturnobelpreisträgers.

Der Germanist Volker Neuhaus (72), der sich jahrzehntelang mit Grass beschäftigt hat, ist zudem sicher: Dessen Werke haben das Zeug, zu Klassikern der deutschen Literatur zu werden. Im Interview verriet Neuhaus auch, welche Werke seiner Meinung nach noch viele künftige Generationen fesseln werden. Dass er den Welterfolg "Die Blechtrommel" nennt, überrascht nicht. "Das Treffen in Telgte" dagegen dürfte nicht unbedingt in jedem Bücherregal stehen. Die Erzählung schildert ein fiktives Treffen deutscher Schriftsteller in Telgte im Jahr 1647, also während des Dreißigjährigen Krieges. Es ist eine verschlüsselte Darstellung der Treffen der Gruppe 47 nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob es irgendwann wie die Blechtrommel zur Pflicht-Schullektüre wird? Der Umfang ist dafür zumindest ganz geeignet: Die Taschenbuch-Ausgabe hat 256 Seiten, die der "Blechtrommel" mehr als 800. Das hat wohl schon so manchen Schüler an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ein wenig verzweifelt zeigte sich am Donnerstag auch der neue Intendant der Wormser Nibelungen-Festspiele, Nico Hofmann, der sein Ensemble vorstellte. Es nerve ihn, ständig gefragt zu werden, wie er sich von seinem Vorgänger Dieter Wedel abgrenzen wolle, klagte der 55-Jährige. Das Programm mache den Neubeginn deutlich genug: Albert Ostermaiers Stück "Gemetzel" behandelt die Zeit nach Siegfrieds Tod und die Rachepläne von dessen Frau Kriemhild gegenüber den Burgundern - geschildert aus der Sicht eines Kindes. Den Knaben spielt übrigens die aus dem Erfurter "Tatort" bekannte Alina Levshin. Außerdem dabei: Judith Rosmair (Kriemhild) und Max Urlacher (Hagen), laut Hofmann die "1-A-Klasse" der deutschen Bühnenschauspieler. Mit so viel geballter Qualität im Ensemble kann die Premiere ja kaum noch ins Auge gehen. Aus Sicht von Günter Schabowski ging die legendäre Pressekonferenz vom 9. November 1989 sicher mehr als nur ins Auge. Schabowski hatte auf einem Zettel notiert, worüber er in welcher Reihenfolge sprechen wollte. Dieser historisch bedeutsame Zettel ist nun wieder aufgetaucht und im Haus der Geschichte in Bonn zu bewundern. Am Ende des Dokuments stand der Punkt "Verlesen Text Reiseregelung". Dabei handelte es sich um eine am selben Tag beschlossene Regelung, wonach DDR-Bürgern künftig Reisen in den Westen erlaubt sein sollten. Allerdings hatte es sich die SED-Führung so vorgestellt, dass diese Reisen nur unter bestimmten Auflagen und erst vom nächsten Tag an beantragt werden konnten. All das war Schabowski wohl entgangen. Auf die Frage, ab wann die neue Regelung denn gelte, antwortete er mit den legendären Worten: "Sofort, unverzüglich." Das führte noch in derselben Nacht zum Fall der Berliner Mauer. dpa/cweb

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