Tue Gutes, aber warum eigentlich?

Der Popstar unter den Philosophen: Richard David Precht ist zum zweiten Mal beim Eifel-Literatur-Festival dabei. In diesem Jahr spricht er über die Kunst, kein Egoist zu sein.

Er soll gut aussehen, ein Frauenschwarm und Weltverbesserer sein - eine Mischung, die für viele von uns in den vergangenen Jahren an Sexiness stark hinzugewonnen hat. Denn wenn wir ehrlich sind, suchen wir das Gute. Das Gute, auf das wir uns fernab von Politik und Wirtschaft noch verlassen können. Naja, und clever ist der 47-jährige Philosoph und Bestsellerautor natürlich auch. Beste Voraussetzungen, um vor einem Interview mit ihm nervös zu sein?

Doch Richard David Precht ist beim vereinbarten Termin ganz locker, als er die Tür seiner Kölner Altbauwohnung öffnet. Leger gekleidet fährt er sich mit der Hand durch die Haare und bittet freundlich lächelnd in den Flur hinein. Heute hat Precht seinen Interviewtag, im Halbstundentakt geben sich die Journalisten die Klinke in die Hand. Vom Wohnzimmer mit dem offenen Küchenbereich aus sind im Nebenzimmer hohe Bücherregale zu sehen. Er bittet Platz zu nehmen am großen hölzernen Tisch - mit Blick auf das Aquarium, in dem ganz schön viel Verkehr herrscht. Er selbst bleibe lieber stehen, sagt er. Und so spaziert er - ganz philosophenlike - durch das Zimmer, während er die Fragen beantwortet.

1964 in Solingen geboren, promovierte Precht 1994 an der Universität Köln. Mit seinem Philosophiebuch "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" schaffte er 2007 den Duchbruch. Die Auflagen schnellten hoch - und sein Bekanntheitsgrad mit ihnen auf den Bestsellerlisten. Er brachte die Philosophie in die Populärliteratur und machte sie damit wieder interessant, modern, sexy. Weg vom Elfenbeinturm, rein ins heimische Bücherregal. Auch wenn er seinen Anteil daran eher kleinredet: Die Beschäftigung mit dem optimalen Leben gebe es weit länger. "Nur wurde es früher mit anderen Dingen gefüllt: Esoterik, kirchliche Weisheiten, fernöstliche Philosophien", sagt Precht. "Mit meinen Büchern aber ist nun auch die abendländische Philosophie wieder etwas stärker in den Fokus gerückt."

Und die wird er auch mitbringen, wenn er am Donnerstag, 4. Oktober, in die Bitburger Stadthalle kommt. Precht war 2010 bereits bei Josef Zierden zu Gast - damals mit dem Thema "Liebe": "Ich komme bereits zum zweiten Mal zum Eifel-Literatur-Festival", sagt er. "Das ist ein sehr schönes und sehr charmant organisiertes Festival." Ansonsten habe er aber zur Eifel "gar keinen Bezug". Aber: "Ich fahre ständig durch Trier durch oder steige dort um, wenn ich mit dem Zug von Köln über Koblenz nach Luxemburg fahre", erzählt er. Denn Prechts zweiter Wohnort ist Luxemburg. Er ist mit der Luxemburgerin Caroline Mart, der stellvertretenden Chefredakteurin von RTL Télé Lëtzebuerg, verheiratet, die drei Kinder mit in die Ehe brachte. Er selbst hat einen Sohn, Oskar, mit dem er in seinem aktuellen Werk "Warum gibt es alles und nicht nichts?" die Philosophie erkundet. Mit kleinen Geschichten und philosophischen Ausflügen regen die beschriebenen Vater-Sohn-Spaziergänge nicht nur die Kleinen, sondern auch die Großen zum Nachdenken an.

Doch nach Bitburg kommt er mit seinem 2010er Bestseller "Die Kunst, kein Egoist zu sein". Das Kinderbuch biete sich dafür nicht an, denn: "Ich mache keine Lesungen, ich halte immer freie Vorträge. Das dient ihm auch bei seiner Honorarprofessur für Philosophie, die er seit Mai 2011 an der Leuphana-Universität Lüneburg innehat.

In Bitburg plant er über die Frage zu sprechen: "Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält?" Das beinhaltet natürlich die alten großen philosophischen Fragen: Ist der Mensch im Grunde gut oder schlecht? Und wie kommt es, dass sich der Einzelne oft für gut hält, es aber so viel Schlechtes in der Welt gibt?

Precht verteilt Ratschläge

Einige tun es ab als Weltverbesserung, Gutmenschentum. Aber in Zeiten von Wirtschaftskrise und Naturkatastrophen, Verunsicherung im Beruflichen und Unbeständigkeit im Privaten ist die Frage nach dem Egoismus besonders spannend geworden. Sind wir alle nur auf dem Selbstverwirklichungstrip? Oder nehmen wir doch mehr Rücksicht aufeinander? Er gibt auch Ratschläge für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Was ist überhaupt gut oder schlecht?, fragt Precht, und kommt zum Ergebnis, dass es dazu viele verschiedene Sichtweisen gibt. Und die wird er sicher auch in Bitburg beim Eifel-Literatur-Festival darlegen. Am Ende des Gesprächs in seiner Kölner Wohnung greift er sich den Haustürschlüssel. Er gehe mit runter, er habe noch nichts gegessen heute. Die Zeiten des darbenden Philosophen in der Abgeschiedenheit seines Elfenbeinturms sind halt vorbei. Die Philosophie kann auch in die Welt gerichtet sein. Freundlich verabschiedet sich Precht vor der Haustür - und verschwindet im Kölner Südstadttreiben.

Richard David Precht: "Die Kunst, kein Egoist zu sein. Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält", Goldmann Verlag, 544 Seiten, ISBN 978-3-442-31218- 4, 19,99 Euro.

Richard David Precht: "Die Kunst, kein Egoist zu sein"; Donnerstag, 4. Oktober, 20 Uhr, Bitburg Stadthalle; Karten kosten 20 Euro (Vorverkauf )/23 Euro (Abendkasse).

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