Théâtre National: Werkstatt für Spitzenprodukte

Die Kulturpaläste am Kirchberg hat das Publikum aus der Region Trier längst adoptiert. In den Parkhäusern unter der Philharmonie und dem Grand Théâtre stehen bei attraktiven Aufführungen stets jede Menge Autos mit TR-, BIT- oder WIL-Kennzeichen.

 Wilde Maske: Martin Brambach in „Die Demonstration“. Foto: Bohumil Kostohryz

Wilde Maske: Martin Brambach in „Die Demonstration“. Foto: Bohumil Kostohryz

Beim Théâtre National, in Luxemburg meist kurz TNL genannt, ist das (noch) anders. Was womöglich damit zusammenhängt, dass man ein kleines Stück durch die Stadt hindurchfahren muss, um zur Route de Longwy zu gelangen. Aber vielleicht auch damit, dass das TNL so gar nichts von einem Palast hat. Man residiert in der südwestlichen Vorstadt in einer umgebauten ehemaligen Schmiede, die eher Werkstattflair vermittelt als repräsentativen Prunk - sowohl äußerlich als auch programmlich.
Es dürfte auch gar nicht anders sein, entstand doch das TNL 1997 als reisende Bühne, die zunächst quer durch Luxemburg, dann aber auch über viele internationale Festivals zog. Wie so oft in Luxemburg war nicht die Institution der Ursprung, sondern eine starke Persönlichkeit. Frank Hoffmann, preisgekrönter Regisseur aus dem Großherzogtum, gab die treibende Kraft hinter dem "Projekt TNL", und 2004 hatte er es geschafft: Er bekam sein "eigenes" Haus. Zeitgleich wurde er zum Intendanten der Ruhrfestspiele Recklinghausen berufen - eine Doppel-Funktion, von der das TNL bis heute nachhaltig profitiert.
Das Theater ist nicht groß, die Räume sind nüchtern-funktional, die Bühne eher studio-like. Und doch gibt es hier immer wieder künstlerisch brillante Aufführungen mit hochkarätigsten Besetzungen. Das Programm wird von Eigen- und Koproduktionen dominiert, doch Hoffmann lockt auch regelmäßig Stars der deutschen Theaterszene an. Wolfram Koch, Martin Brambach, Dominique Horwitz, Vadim Glowna, Dieter Laser, Katja Riemann, Elisabeth Trissenaar, Udo Wachtveitl, Markus Boysen, Matthieu Carrière: nur einige prominente Besetzungs-Namen aus dieser und der letzten Spielzeit.
Aber Hoffmann pflegt auch die Luxemburger Bühnenstars, die sich lange Jahre um den 2009 gestorbenen und immer noch hoch verehrten Thierry van Werweke gruppierten. Kaum jemand aus der Reihe der Feit, Limpach, Ley, Wagner, Koenig, Karier & Co., der hier nicht aufgetreten wäre - und nicht wenigen hat die Zusammenarbeit mit Hoffmann den Einstieg bei großen deutschen Bühnen ermöglicht oder erleichtert.
Das TNL bietet auch für junge Talente wie die Regisseurin Anne Simon den Raum, sich zu entfalten. Künstler wie Guy Rewenig oder aktuell Jean-Paul Maes erhalten die Chance, als Autoren "in residence" eine Spielzeit lang das Programm mitzuprägen. Crossover-Projekte mit Musikern und Tänzern finden ebenso Platz wie Angebote für Kinder und Jugendliche.
16 Jahre nach der Gründung ist das TNL im besten Sinn etabliert. Nur der Intendant, wiewohl inzwischen 58, hat immer noch etwas Jugendliches. Nicht unbedingt der junge Wilde - das war er wohl nie. Aber doch einer, der noch einiges vor hat in den kommenden Jahren.
Deutschsprachige Programm-Highlights in den kommenden Monaten:
Vom 21. Januar bis 2. Februar kommt Gogols Satire "Der Revisor", die Frank Hoffmann letzten Sommer bei den Ruhrfestspielen herausbrachte. Prominentester Darsteller: Ex-Tatort-Kommissar Bernd-Michael Lade.
Anne Simons von der Kritik gefeierte Auseinandersetzung mit dem Prometheus-Mythos unter dem Titel "we are the gods now" steht ab dem 24. Januar wieder auf der Agenda. In der Rolle des Wissenschaftlers Dr. Rossum brilliert Pitt Simon.
Zweimal Tabori in der Lesart von Frank Hoffmann, zwei schwarzhumorige Grotesken im Frühling: vom 8. bis 12. März die "Abendschau" mit dem sensationellen Wolfram Koch, vom 16. bis 20. März die "Demonstration" mit dem genialen, inzwischen weitgehend zum Fernsehen abgewanderten Martin Brambach.
Ab dem 10. April setzen Anne Simon und Jean-Paul Maes die "Lippizanernummer" in Szene, Uraufführung eines Stücks, mit dem Maes laut Ankündigung "den Suchenden und Scheiternden ein theatralisches und hochpoetisches Denkmal setzt".
Und noch zwei Tipps für den Mai: Stefan Maurer, regelmäßiger Gastregisseur am TNL, inszeniert Brechts "Im Dickicht der Städte", und Katja Riemann kommt am 22. und 23. Mai mit ihrem Programm "Winter. Ein Roadmovie", das die Wintermärchen und -reisen von Heine und Schubert verbin det.

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