Luxemburger Pfleger im Aufruhr

Luxemburg · Im Luxemburger Gesundheitssektor brodelt es. Ein Streik steht bevor, doch es ist nicht der einzige Tarifkonflikt, der seit längerem im Großherzogtum schwelt.

 Kommt es in den Krankenhäusern zum Streik, soll es zumindest Notdienste geben. Foto: dpa

Kommt es in den Krankenhäusern zum Streik, soll es zumindest Notdienste geben. Foto: dpa

Foto: Uwe Anspach (g_luxemb

Der Luxemburger Wirtschaft geht es gut: Die internationale Wirtschaftsorganisation OECD hat dem Großherzogtum erst dieser Tage ein Wachstum von 4,5 Prozent für 2017 vorausgesagt. Das verschafft den Unternehmen Gewinne, von denen nun auch endlich die Beschäftigten profitieren sollen, verlangt André Roeltgen, Präsident der größten luxemburgischen Gewerkschaft OGBL. "Die Strategie der Lohnblockade der luxemburgischen Patronatsverbände muss durchbrochen werden", schreibt er in einem Plädoyer. Hintergrund ist, dass in vielen Branchen Tarifkonflikte schwelen wie etwa in der Industrie, auf dem Bau, im Bank- und Finanzsektor (siehe Info) und einigen Dienstleistungsbereichen.

Besonders dramatisch ist die Lage im Luxemburger Gesundheits- und Sozialwesen: Schon 2014 hatten sich die Gewerkschaften und die Regierung darauf geeinigt, dass die für den öffentlichten Dienst vereinbarten Reformen auch im Pflege- und Sozialsektor mit seinen 22 000 Beschäftigten umgesetzt werden sollen. Dafür sind im vergangenen Jahr sogar 9000 Beschäftigte in einer Großdemo auf die Straße gegangen, weil bis dato nichts passiert war. Kern der Reformen ist, dass die Gehälter von Pflegern, Krankenschwestern und Erziehern per se erhöht, aber auch die einzelnen Laufbahnen insgesamt höher besoldet werden sollen. Denn die Berufsbilder in Gesundheit, Pflege und Erziehung haben sich gewandelt, die Anforderungen sind gestiegen, wie auch die Absolventenzahlen zeigen.

Immer weniger Luxemburger beginnen eine Krankenpflege, noch weniger schließen die Ausbildung anschließend auch ab. So haben vom Ausbildungsjahrgang 2012/2013 mit 225 Schülern nach vier Jahren nur 44 im vergangenen Jahr ein Krankenpflege-Diplom erhalten. Das Luxemburger Schulsystem verlangt nämlich von seinen Schülern bereits frühzeitig eine schulische Orientierung auf einen Abschluss hin. Zudem gibt es zahlreiche Studienmöglichkeiten. Im Sozial- und Gesundheitssektor werden jedoch nicht alle Diplome anerkannt, weshalb die Gewerkschaft OGBL von einer "absoluten Respektlosigkeit der Arbeitgeberseite gegenüber den berechtigten und lange überfälligen Forderungen ihrer Angestellten" spricht.

Die Arbeitgeberseite in Form der Dachorganisation Copas und der darin enthaltenen Bereiche SAS (Secteur d'aides et de soins - Pflege) und FHL (Fédération des hôpitaux luxembourgeois - Krankenhäuser) hält die von der Regierung für fünf Jahre bereitgestellten 155 Millionen Euro für nicht ausreichend und nachhaltig und befürchtet Sparrunden für den Sektor. Zudem will etwa die FHL für eine Umsetzung der Beschlüsse im Gegenzug Ruhezeiten kürzen, Resturlaub nicht mehr übertragen und Überstundenregelungen überarbeiten. Seit 2007 gab es im SAS-Sektor keine Lohnerhöhung, seit 2009 keine im FHL-Bereich.

Doch bei den Gewerkschaften liegen die Nerven blank. Der OGBL hat nun die Verhandlungen mit der FHL vor dem Schlichter für gescheitert erklärt. Sollten die Arbeitgeber nicht noch in letzter Sekunde einlenken, kommt es am 19. Juni zur Urabstimmung zunächst in den Krankenhäusern und anschließend zum Streik des Pflegepersonals. Eine Zustimmungsquote von mindestens 75 Prozent gilt als sehr wahrscheinlich. Weil die Gewerkschaft OGBL betont, dass sich der Protest allein gegen die Arbeitgeber richtet, sollen in allen Häusern Notdienste für Patienten eingerichtet werden. Von Gesetzes wegen gibt es in Luxemburg zum sogenannten Minimaldienst in Krankenhäusern nicht einmal eine Verpflichtung.Extra: KURZ VOR KNAPP: EINIGUNG IM BANKENSEKTOR

Die Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag im Luxemburger Bankensektor sind in dieser Woche vorerst mit einer Einigung beendet worden. So soll der aktuelle Kollektivvertrag beibehalten und eine pauschale Einmalzahlung von 400 Euro für das Jahr 2017 ausgezahlt werden. Auch die im Juni fällig werdende sogenannte Konjunkturprämie für die 15 000 Bankbeschäftigten soll nun ausbezahlt werden. Die Bankengewerkschaft Aleba freut sich, weil die Sozialpartner genügend Zeit bekämen, um einen Kollektivvertrag für die Periode 2018-2020 auszuhandeln. Auch der Gewerkschaft LCGB zeigte sich mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. "Schweren Herzens", hieß es, stimmte die Gewerkschaft OGBL dem Deal zu. Sie sieht vor allem Nachholbedarf bei der Lohnentwicklung und den Arbeitsbedingungen. Seit 2010 gab es jeweils jährlich einen Lohnzuwachs von einem Prozent. Das reicht der Gewerkschaft nicht. Zuletzt hatten die Arbeitnehmervertreter mit einem Streik gedroht, der Arbeitgeberverband ABBL hatte seinen Mitgliedern empfohlen, die Konjunkturprämie auszusetzen und nicht wie üblich im Juni zu zahlen.

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