Mehr Macht für die Bürger, weniger für den Großherzog

Luxemburg · Mehr Macht fürs Parlament, mehr Bürgerbeteiligung und ein Großherzog ohne Befugnisse: Das sind die vorläufigen Eckpunkte einer neuen Luxemburger Verfassung, wie Paul-Henri Meyers, einer der Verfassungsväter, durchblicken lässt. Das Luxemburger "Grundgesetz" soll bis Ende 2018 stehen.

 Die Luxemburger Verfassung ist in die Jahre gekommen. Nun soll sie moderner werden. TV-Foto: Tageblatt/Pierre Matgé

Die Luxemburger Verfassung ist in die Jahre gekommen. Nun soll sie moderner werden. TV-Foto: Tageblatt/Pierre Matgé

Foto: PIERRE MATGE (g_luxemb

Luxemburg. Nach 150 Jahren soll endlich der Paukenschlag folgen. Denn bis zur nächsten Parlamentswahl im Oktober 2018 soll eine neue Luxemburger Verfassung verabschiedet sein. Zwar wurde die heute immer noch weitgehend gültige Staatsordnung von 1868 - im Grunde eine Kopie der belgischen Verfassung - bereits 37 Mal abgeändert. Und jedes Mal haben sich die Luxemburger durchaus als modernes Volk gezeigt, etwa als sie als einer der ersten Staaten in Europa das Frauenwahlrecht einführten, das Recht auf Arbeit und soziale Sicherheit festschrieben oder als sie 2009 den Großherzog entmachteten, nachdem er - infolge seines "Neins" zu Sterbehilferegeln - Gesetze nun nicht mehr bestätigen muss, sondern nur noch formell verkünden darf.

Doch eine richtige Reform, ein modernes Machwerk aus einem Guss, hat die Luxemburger Verfassung seit 150 Jahren nicht erlebt. Dies soll sich nun ändern. Einige der Eckpunkte sind bereits zu erkennen. Hauptpunkt: "Die Rolle der Abgeordnetenkammer wird aufgewertet", sagt Paul-Henri Meyers, Vize-Präsident der Verfassungsreform-Kommission und gern als "Vater des neuen Grundgesetzes" bezeichnet. "Das Parlament wird erste Macht im Staat, es ist alleiniger Gesetzgeber." Weitere Neuerungen: Die Bürger sollen selber Gesetze einbringen dürfen und die Möglichkeit zu Referenden erleichtert werden, Luxemburgisch soll neben Deutsch und Französisch als "Sprache des Landes" in die Verfassung aufgenommen werden, die Unverletzbarkeit der menschlichen Würde soll verankert sein.

Und nicht zuletzt: Die Rolle des Großherzogs als Staatsoberhaupt im einzigen Großherzogtum der Welt wird "auf seine Funktion als ein Symbol für die Einheit des Landes und ein Garant für dessen Unabhängigkeit" reduziert, sagt der Trierer Politikwissenschaftler Wolfgang Lorig, der sich in seinem Seminar mit den Kleinstaaten in der EU beschäftigt. "Schon in den vergangenen Jahrzehnten wurde die zentrale Rolle des Monarchen zurückgedrängt, so dass er auf sich allein gestellt nach geltenden Verfassungsbestimmungen machtlos ist", sagt der Trierer Wissenschaftler.

Das Ansehen der großherzoglichen Familie hat in der Tat gelitten. Immer mehr Luxemburger sehen in den nassauischen Royals ein teures Vergnügen des Staates. Nicht zuletzt der Jurist und konservative CSV-Abgeordnete Meyers sagt in Lorigs Seminar: "Familienstreitigkeiten gehören nicht in die Öffentlichkeit." Mit der Verfassungsreform soll selbst der Oberbefehl über die Streitkräfte vom Großherzog unter die Regie der Regierung kommen, der Großherzog soll das Parlament nicht mehr auflösen dürfen.
Ob das "Mammutprojekt" (Meyers) Verfassungsreform wie geplant bis 2018 unter Dach und Fach kommt, wird sich zeigen müssen. Denn nachdem bereits 70 Änderungsanträge aus dem Parlament an den beratenden Staatsrat weitergegeben wurden, hat nun auch noch die öffentliche Diskussion um 130 Vorschläge von Seiten der Bürger begonnen. Das ursprüngliche Ziel von Premier Xavier Bettel, eine Reform bereits 2015 zu verabschieden, ist bislang nicht erreicht.

Hinzukommt, dass laut bestehender Verfassung zwei Mal über eine Reform abgestimmt werden muss - innerhalb von drei Monaten. Und alle Parteien sind sich einig, das zweite Mal vom Volk. Je später dies jedoch geschieht, desto näher rücken die nächsten Parlamentswahlen - und der nächste Wahlkampf inklusive möglicher Diskussionen um einzelne Neuerungen in der Verfassung. Meyers ist überzeugt: "Die Höhe der Zustimmung ist auch eine Frage des Zeitpunkts der Abstimmung."

Wer in die Geschichte des Machtwechsels 2013 in Luxemburg einsteigen möchte, kann dies tun am Mittwoch, 13. Juli, 14 bis 16 Uhr. An der Uni Trier, Raum A9/10 spricht der Journalist und Buchautor Christoph Bumb im öffentlichen Teil des Seminars "Kleinstaaten in der EU" von Professor Wolfgang Lorig.

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