Trennung von Kirche und Staat aus Sicht eines Kenners

Luxemburg · Mit der Trennung von Kirche und Staat hat Luxemburg im Januar Schlagzeilen gemacht. Für Außenstehende war es nicht leicht, das monatelange Ringen zwischen der linksliberalen Regierung und dem Erzbistum nachzuvollziehen. Nun hat der ehemalige bischöfliche Generalvikar Erny Gillen einen Zwischenbericht vorgelegt.

Luxemburg. Generalvikar Erny Gillen war einer der Protagonisten auf kirchlicher Seite bei der Trennung von Staat und Kirche. Der frühere Professor für Theologische Ethik und Vorsitzende von Caritas Europa war seit 2011 Generalvikar. In dieser Funktion bekam er die Risse im alten System des Staatskatholizismus mit. Ein System, das 200 Jahre überdauert hatte: "Seit der napoleonischen Epoche stand die Zeit in Sachen Religion und Staat im Großherzogtum lange still", schreibt Gillen in seinem 68-seitigen Bericht.
Priester wurden vom Staat als "Kultusdiener" bezahlt, ebenso Religionslehrer und pastorale Laienmitarbeiter. Die katholische Erziehung erfolgte im verpflichtenden Religionsunterricht. In den sogenannten "Kirchenfabriken" verwalteten Kommunen und Pfarreien die Güter der Kirche vor Ort. "Die Welt war dual", sagt Gillen, "und die Mehrheitsverhältnisse waren über die 'C'-Partei, die Christlich Soziale Volkspartei (CSV), eindeutig zugunsten der katholischen Welt."
Ende 2013 kam unter der Führung der Liberalen ein neues Bündnis mit Sozialdemokraten und Grünen an die Macht, das die jahrzehntelange Dominanz der CSV brach. Innerhalb der Regierungsparteien gab es offen kirchenfeindliche Kräfte, und der neue Ministerpräsident Xavier Bettel fremdelte mit kirchlichen Positionen.
Doch wie Gillen belegt, begann der Prozess der Trennung zwischen Staat und Kirche nicht erst unter der neuen Regierung. Zwar brachte diese 2014 Gesetze auf den Weg wie die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe oder eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Doch schon die Einführung eingetragener Partnerschaften 2004 und eine Euthanasie-Debatte 2008 zeigten laut Gillen, "dass die Luxemburger Gesellschaft und Politik sich von der Moral des katholischen Lehramtes weitgehend verabschiedet haben".
Zudem habe die alte CSV-geführte Regierung eine Ersetzung des Schulfachs Religion durch Werteunterricht angestrebt. Beschlossen wurde dies mit dem im Januar unterzeichneten Vertragspaket. Gillen wertet diesen Punkt als Niederlage: Zwar würden Religionslehrer vom Staat für den Werteunterricht übernommen, doch ihr Beruf werde abgeschafft.
Erfolgreicher waren die Verhandlungen aus Kirchensicht in anderen Bereichen. So gibt es keine Streichung von staatlichen Zuwendungen, sondern eine öffentliche Sockelfinanzierung für Religionsgemeinschaften. Doch das Erzbistum Luxemburg erhält statt rund 23 Millionen Euro jährlich künftig 7 Millionen. Der Staat zahlt Gehälter von "Kultusdienern" nur im Rahmen von Bestandsverträgen, und die Kirchenfabriken sollen in einem zu gründenden Fonds zusammengelegt werden.
Als "historische Leistung" bewertet Gillen, dass eine gemeinsame Basis für die drei großen monotheistischen Weltreligionen ausgehandelt wurde. Die Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften schlossen sich im "Rat der konventionierten Religionsgemeinschaften" zusammen - für Gillen ein "Königsweg" im Staat-Religionen-Verhältnis. Die neue Gleichheit unter den Religionsgemeinschaften werde "zu einer gesellschaftlichen Entkrampfung beitragen". Gillen verweist auch darauf, dass das neue "Miteinander der drei abrahamitischen Religionen und des Luxemburger Staates" just zu der Zeit begann, als in Paris der Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo stattfand.
Vor allem aber habe die Kirche neue missionarische und politische Freiheiten gewonnen. Sie sei, so Gillen, nun gefordert, "sich selber von innen heraus in diese Gesellschaft und in diesen Staat als religiöse Kräfte und für den sozialen Zusammenhalt einzubringen". KNA
Die 68-seitige Publikation kann als PDF kostenfrei von der Internetseite des Erzbistums Luxemburg ( <%LINK auto="true" href="http://www.cathol.lu" class="more" text="www.cathol.lu"%> ) heruntergeladen oder gegen Gebühr als Printversion bestellt werden.
Info: Telefon 00352/462023.

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