Wenn man den Wald vor lauter Markierungen nicht sieht

Drauffelt/Kischpelt · Ein Waldbesitzer kommt nach Monaten im Ausland zurück nach Luxemburg und bemerkt in seinem Wald Zeichen an etwa 50 Bäumen sowie unzählige Markierungspfosten. Er fragt nach und erfährt Erstaunliches.

 Auf einer Katasterkarte hat ein Waldeigentümer die bereits bestehenden Wege eingezeichnet. Mit der Skizzierung will er den Nachweis führen, dass jeder weitere Waldweg Unfug ist.

Auf einer Katasterkarte hat ein Waldeigentümer die bereits bestehenden Wege eingezeichnet. Mit der Skizzierung will er den Nachweis führen, dass jeder weitere Waldweg Unfug ist.

Foto: (g_luxemb

Drauffelt/Kischpelt. Zoff in Drauffelt im Norden des Großherzogtums. Zurück aus China, wo ein Diplom-Ingenieur aus beruflichen Gründen die größte Zeit des Jahres verbringt, spaziert der Mann durch seinen Wald auf einer Anhöhe des 200-Einwohner-Orts in der Gemeinde Kischpelt und bemerkt Markierungen an Bäumen und Wegesrand.
Bäume sollen bald gefällt sein


Auch im benachbarten Wald-areal sind Bäume markiert, zusammen sind es etwa 100 an der Zahl. Auf Nachfrage hin wird dem Mann erklärt, das Nationalbüro Office national du remembrement (ONR) plane, einen Weg in seinem und im benachbarten Waldstück anzulegen. Die Bäume sollen bis spätestens März 2016 gefällt sein.
Es soll eine Informationsversammlung stattgefunden haben - doch wie sich herausstellt, waren damals nur die Besitzer aus dem benachbarten Eschweiler eingeladen, die Kischpelter wussten von nichts. Auf Drängen der Waldbesitzer aus der Gemeinde Kischpelt fand schließlich Mitte Dezember eine (öffentliche) Versammlung statt, der Präsident des Office national du remembrement bemühte sich sogar selbst ins Ösling. Fragen gab es viele, Antworten leider weniger. Der Waldweg in Drauffelt wurde mit keiner Silbe erwähnt.
Als man dann Vertreter der Presse im Versammlungsraum bemerkte, stieg bei den ONR-Leuten der Blutdruck derart, dass die Presse kurzerhand aus dem Saal geworfen wurde. Dem betroffenen Waldbesitzer verschlug dieses aggressive Vorgehen die Sprache, und er entschloss sich, selbst mit der Presse Kontakt aufzunehmen. Mal "ganz abgesehen von der undemokratischen Art und Weise", wie diese staatliche Instanz vorgehe, bezweifelt der Mann den Sinn des "Wegeprojekts", für das noch kein Kostenvoranschlag vorliegt. Er wurde aber bereits informiert, dass die Waldbesitzer zehn Prozent der Kosten zu tragen hätten - den Rest die Steuerzahler.
Wer trägt die Kosten?


Und der Irrsinn geht weiter. Dem Diplom-Ingenieur (und nicht nur ihm) wurde vom ONR-Präsidenten erklärt: "Neue Wege führen nach neuen Erkenntnissen zu einer explosionsartigen Verbesserung der Waldqualität." Und: "Dieses Projekt dient nicht nur uns, sondern auch späteren Generationen." Und: "Am Rande der neuen Wege wachsen neue Gräser und Pflanzen, die das Wild anlocken."
Der neue Weg soll teilweise neben einem bestehenden Weg angelegt werden (siehe Foto unten rechts), und das in einem Waldstück, das mehr als genügend Waldwege (siehe Karte) aufzuweisen hat. "Wem nutzt also eine zehn Meter breite und drei Kilometer lange Schneise quer durch bestehenden Wald?", fragte der aufgebrachte Waldbesitzer. "Wem nutzt eine Zweiteilung aller durchquerten Waldstücke?"
Wem nutzt der Schotter?

 Der neue Weg (der Markierungspfahl zeigt die Mitte des geplanten Weges) soll nur wenige Meter neben einem bestehenden Waldweg verlaufen. Dafür müssten rund 100 bereits rot markierte Bäume gefällt werden.Fotos (2): Roger Infalt (Tageblatt)

Der neue Weg (der Markierungspfahl zeigt die Mitte des geplanten Weges) soll nur wenige Meter neben einem bestehenden Waldweg verlaufen. Dafür müssten rund 100 bereits rot markierte Bäume gefällt werden.Fotos (2): Roger Infalt (Tageblatt)

Foto: (g_luxemb


"Wem nutzen die voraussichtlich 9000 bis 15 000 Kubikmeter Schotter, die auf den bereits mageren, steinigen und felsigen Waldboden hier im Ösling gekippt werden sollen?", fragt der Mann weiter und schlussfolgert etwas zynisch: "Das kann nur von Spezialisten erarbeitet worden sein, da dem normalen Menschen diese Qualifikation offensichtlich fehlt."
Der Präsident des ONR bedauert unterdessen die "Pannen" bei der Information und schlägt der Kischpelter Eigentümer Gemeinschaft (KEG) einen neuen Termin am kommenden 5. Januar vor. Die Waldeigentümer sollen dann mit Gegenvorschlägen kommen.
Der Autor ist Redakteur beim Luxemburger Tageblatt.

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