Abend mit Fragezeichen

KLOSTER MACHERN. (gkl) Als eine "Nacht mit Bach" bezeichneten die Mosel Festwochen einen Konzertabend im Kloster Machern. Eine Veranstaltung, die etliche Fragen hinterließ.

Ein ganzer Abend nur Musik des großen Meisters, von vielen als "der größte Meister" angesehen - das sollte eigentlich ein volles Haus versprechen. Das allerdings traf nicht zu. Die Schar der Zuhörer blieb für Verhältnisse der Festwochen sehr übersichtlich. Da nutzte wohl auch die eindrucksvoll klingende Ankündigung nichts, Solistin werde die "Steinway-Exklusivkünstlerin" Elena Kuschnerova sein. Vielmehr stellte sich bei einigen die Frage, was denn eigentlich eine solche Exklusivkünstlerin ist. Als offizielle Bezeichnung gibt es diesen Ausdruck jedenfalls nicht. Wohl gibt es die "Steinway-Künstler", jene Pianisten also, die sich weigern, auf einem Flügel zu spielen, wenn er nicht aus der weltberühmten Manufaktur stammt. Da aber zu dieser Gruppe weltweit über 1300 Starpianisten zählen, ist das nichts Exklusives. Der Streit, ob man Bachs Musik auf dem Klavier spielen sollte, oder besser nicht, ist alt und immer wieder neu. Zweifellos, mit Kuschnerova war eine herausragende Pianistin an der Mosel zu Gast, deren Ruhm nicht wohl begründet ist. Exquisite Technik prägt ihr Spiel, höchste Virtuosität scheint für sie eine selbstverständliche Leichtigkeit zu sein. Reicht das aber für einen Abend, der ganz dem spätbarocken Meister gewidmet ist? Hier kann man nur mit Nein antworten. Egal, ob in der "Französischen Suite Nr. 5", BWV 816, oder auch in der "Partita e-moll", BWV 830, es fehlten die wesentlichen Elemente der barocken Affektenlehre, das Feinnervige, das Filigrane. Zwangsläufig noch deutlicher wurde dies beim "Italienischen Konzert", BWV 971. Hier ignorierte die Pianistin die Vorgaben Bachs, dieses Werk auf einem zweimanualigen Instrument zu spielen, damit die Gegenüberstellungen von Gesamt- und Soloklang, wie auch im Programmheft beschrieben, verdeutlicht werden können. Freilich darf man nicht verschweigen, dass sich der Flügel, an dem Kuschnerova spielte, Steinway hin oder her, nicht von seiner allerbesten Seite zeigen wollte. Obwohl frisch restauriert, schepperte es doch etliche Male vernehmlich im Bassbereich. Es sollte aber noch schlimmer kommen. Stutzig musste man werden, weil nach dem Klavierabend noch ein "Chill Out" angekündigt war. Sollte man diesem neudeutschen Begriff, der übersetzt so viel bedeutet wie "sich beruhigen, sich abregen", entnehmen, dass Kuschnerovas Spiel das Publikum aufregen würde? Angekündigt war, dass Michael Meyer, Organist der Pfarrkirche St. Briktius in Bernkastel-Kues, zum meditativen Ausklang noch große Bachsche Orgelwerke interpretieren würde. Zu diesem Zweck wurde kurzerhand ein Elektronium, also ein elektronisches Instrument, das eine Orgel imitiert, in der Kapelle aufgestellt. Vor einigen Jahren haben die Mosel Festwochen damit geworben, dass sie ihrem Publikum "Erstklassisches" böten. Ist es wirklich erstklassig, wenn inzwischen das Publikum mit Konservenmusik, und nichts anderes kommt aus solch einem elektronischen Gerät, beschallt wird. Oder hat die Intendanz des Festivals das Wort "chill", das als Einzelwort "Frostigkeit, Kältegefühl und Ernüchterung" heißt, wörtlich genommen?

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