Abschiebung in die Fremde

BERNKASTEL-KUES/WEHLEN. Eine vietnamesische Familie soll nach 13 Jahren in Deutschland abgeschoben werden. Obwohl beide Eheleute inzwischen vollkommen integriert sind, gibt es keine Chance mehr auf eine Aufenthaltsgenehmigung.

 Die Familie Hoang/Nguyen lebt in Angst vor einer ungewissen Zukunft in Vietnam.Foto: Maria Adrian

Die Familie Hoang/Nguyen lebt in Angst vor einer ungewissen Zukunft in Vietnam.Foto: Maria Adrian

Hoang Viet ist acht Jahre alt, sein Bruder Taun Duc wird im August 13. Auch wenn der asiatische Klang ihrer Namen ihre Herkunft leicht erraten lässt: Nicht Vietnam ist ihre Heimat, sondern Bernkastel-Kues an der Mosel. Die beiden Jungs sind dort geboren, aufgewachsen, gehen dort zur Schule und vor allem sind sie dort glücklich. Jetzt sollen sie gemeinsam mit ihren Eltern nach Vietnam abgeschoben werden. Das bedeutet nicht nur, dass sie aus ihrer Heimat gerissen werden und ihre Freunde zurücklassen müssen, sondern auch, dass sie sich in einem asiatischen und zudem sozialistischen Staat - von Amnesty International oft wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert - fernab von westlicher Kultur zurechtfinden müssen. Ganz abgesehen davon, dass sie kaum ein Wort der vietnamesischen Sprache sprechen oder verstehen. "Der Kleine hat in der Schule nachgelassen, der Große ist so traurig, dass er gar nicht mehr aus dem Bett aufstehen will", sagt die Mutter Thi Phuong Nga Hoang weinend. "Wir wollen nicht weg. Die Kinder verstehen gar nicht warum.""Es geht doch um Menschen"

Es ist nur wenige Tage her, als ein Brief der Kreisverwaltung mit dem Betreff "Vollzug der Ausländergesetze" Thi Phuong Nga Hoang und ihren Mann van Quang Nguyen erreicht und alle Hoffnungen endgültig zunichte macht: Darin steht, dass die vietnamesischen Behörden erklärt hätten, dass sie bereit seien, die Familie wieder in ihrem Land aufzunehmen. Somit gebe es für die deutschen Behörden keinen Grund mehr, die Familie länger zu dulden. Nach Aktenlage ist alles klar: Der Asylantrag, den das Ehepaar vor 13 Jahren stellte, wurde abgelehnt. Ein Antrag auf eine Sonder-Aufenthaltsgenehmigung auf der Basis der so genannten Altfallregelung ebenso (siehe Hintergrund). Auch die Gerichte sind sich einig, dass die Kreisverwaltung die richtige Entscheidung gefällt hat. "Es kann doch nicht sein, dass die Behörden alles über einen Kamm scheren. Es geht doch hier um Menschen", ereifert sich Klaus Windhäuser, der Nguyen im Mai 2000 als Metallfacharbeiter einstellte. Die letzte Möglichkeit, die Windhäuser noch sieht, ist ein Treffen mit der Landrätin Beate Läsch-Weber. Dass ein Gespräch mit ihr noch irgendetwas nützt, bezweifelt Markus Reis, Hotelinhaber und Arbeitgeber der Ehefrau, stark. Er selbst hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Abschiebung zu verhindern. Zuletzt hat er zusammen mit dem Bürgerbeauftragten einen Petitionsantrag eingereicht, der gerade vor zwei Wochen vom Land abgelehnt wurde. Anfragen nach Hilfe von Seiten der Kirche oder "Pro Asyl" sowie ein Bittbrief an Kurt Beck blieben ergebnislos. "Ich bin maßlos enttäuscht davon, wie inhuman deutsche Behörden sein können", sagt der Hotelbesitzer, der Thi Phoung Nga Hoang als Kollegin und Angestellte sehr schätzt. "Sie hat den Partyservice mit aufgebaut und ist meine Küchenchefin."Rechtliche Mittel ausgeschöpft

"Wir als Verwaltung sind an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Einen Ermessensspielraum gibt es für uns nicht", erklärt der Pressesprecher der Kreisverwaltung Alfons Kuhnen. "Die Familie wusste von Anfang an, dass sie kein Anrecht auf einen Aufenthalt in Deutschland hat. Sie hat über Jahre alle rechtsstaatlichen Mittel genutzt, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Alle Anträge wurden geprüft, mit dem Ergebnis, dass keine Ausnahme gemacht werden kann", so Kuhnen. Dass die Geschichte menschlich dramatisch ist, steht auch für ihn außer Frage. Ein letztes Angebot der Kreisverwaltung ist, der Familie eine Abschiebungsprozedeur zu ersparen. Bis Dienstag, 29. Juli, haben Nguyen und seine Frau also Zeit, schriftlich ihre Ausreise-Absicht zu erklären. Und die Eheleute werden sich freiwillig bereit erklären, nach Vietnam zu gehen, nicht, weil sie nicht bereit wären, weiter für die Zukunft ihre Kinder in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung zu kämpfen, sondern weil sie es ihnen ersparen wollen, von der Polizei abgeführt zu werden wie Verbrecher.

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