Abschied nehmen im Raum der Stille

WITTLICH. Ins Krankenhaus kommen Patienten in der Regel, um gesund zu werden. Doch auch das Sterben, etwa von Unfallopfern, wird von den medizinischen Institutionen begleitet. Mit einem "Raum der Stille" geht das St.-Elisabeth-Krankenhaus dabei neue Wege.

Auch der Tod gehört zum Klinikalltag. Zur ohnehin belastenden Situation beim Verlust eines Familienmitglieds kommt in den Kliniken oft hinzu, dass Angehörige keine Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen, Abschied in würdevollem und privatem Rahmen zu nehmen. Im St. Elisabeth-Krankenhaus in Wittlich hat man deshalb jetzt einen "Raum der Stille" eingerichtet. Bislang gibt es zwar in manchen Krankenhäusern so genannte Abschiedsräume, in der jetzt in Wittlich konzipierten Gestaltung ist die Einrichtung einer solchen Rückzugsmöglichkeit, um der persönlichen Trauer Raum geben zu können, eher selten. Das St.-Elisabeth-Krankenhaus erklärt dazu: "Freudige Ereignisse mit Menschen zu teilen, fällt nicht schwer, dagegen Menschen bei dem Verlust eines nahen Angehörigen zu begleiten, ist eine Herausforderung an Pflegende und Ärzte. Der Sterbefall soll nicht als Störfall medizinischen Handelns gesehen werden, er soll als Weiterführung humanistischen Handels zu sehen sein." Der TV befragte dazu Stefan von Wirtz. Er arbeitet in der Abteilungsleitung im Pflegedienst und hat diese Mängel aufgegriffen. Die konzeptionelle und gestalterische Umsetzung des Raums der Stille wurde Wirtz übertragen. Würdiges Abschiednehmen im Klinikbetrieb: Wie war die Situation für die Angehörigen bislang? Wirtz: Wenn Angehörige einige Zeit nach dem Ereignis den Verstorbenen sehen wollten und er nicht mehr auf Station war, so konnte dieses nur im internen Bereich der Prosektur möglich sein. Dies galt auch für Unfalltote. Der Innenbereich der Prosektur ist funktionell und steht im Gegensatz zu den aufkommenden Emotionen. (Anmerkung der Redaktion: Die Prosektur ist ein abgeschlossener Bereich in der Pathologie. Dort war es Angehörigen oft nur möglich von einer Glasscheibe vom Verstorbenen getrennt, Abschied zu nehmen) Inwieweit sind eventuell Wünsche von Angehörigen an Sie herangetragen und jetzt berücksichtigt worden? Wirtz: Wünsche wurden nicht an uns herangetragen. Die Mitarbeiter, die diese Angehörigen begleiteten, haben auf die unzureichenden Gegebenheiten aufmerksam gemacht. Was signalisiert das Krankenhaus durch die Einrichtung des Raums der Stille? Wirtz: Früher war es ja normal, zu Hause zu sterben und in der Klinik wurden zunächst einmal Dinge wie Hygiene groß geschrieben. Deshalb wurde weniger Wert darauf gelegt, Zeit und Raum für den wichtigen Zeitpunkt beim Abschied zu geben. Mit dem Raum der Stille wollen wir heute unter anderem wieder die Nähe zum Menschen, die persönliche Berührung möglich machen. Vorher, in diesem technischen Raum, war das Angehörigen nicht möglich. Der Raum ist auch farbig gestaltet. Wie kam es dazu? Wirtz: Die Wahl fiel auf den Kontrast von kühlen Blautönen zu wärmenden Orange-Rot auf der abgehängten Deckenfläche. Der gestalterische Kontrast spiegelt auch den Gefühlsgang der Menschen, den sie emotional beim Tod erleben. Inwieweit ist Ihnen bekannt, welche anderen Kliniken solche Räume der Stille geschaffen haben? Wirtz: In Zukunft werden Abschiedsräume wohl in mehr Krankenhäusern eingerichtet werden. Zertifizierungskataloge sehen so etwas vor. Wir planen auch am Standort Bernkastel einen solchen Raum Wo befindet sich der Raum im Haus? Und wie wird es praktisch gehandhabt, wollen Angehörige den Raum nutzen? Wirtz: Er befindet sich im Untergeschoß des Hauses. In der Regel können Angehörige von ihrem Verstorbenen auf dem Zimmer (auf Station) Abschied nehmen. Angehörige, die vorher keine Möglichkeit hatten, sich zu verabschieden, werden dann in diesen begleitet und haben die Möglichkeit einer letzten Begegnung. Wie informieren Sie intern im St. Elisabeth-Krankenhaus über den Raum der Stille? Wirtz: Die Einweihung ist am 5. Dezember - die Raumnutzung wird den Stationen schriftlich bekannt gegeben. Was heißt das konkret: "Weiterhin wird daran gearbeitet, die Begleitung von Angehörigen und Unterstützung der Mitarbeiter zu optimieren"? Wirtz: Es gibt im Qualitätsmanagement eine Arbeitsgruppe der Spiritualität die unter anderem damit beauftragt ist, die Lebens- und Sterbebegleitung näher zu betrachten und mögliche Verbesserungen anzugehen. Gibt es Schulungen in Trauerarbeit/-Begleitung? Wirtz: Das ist unter anderem Bestandteil der Krankenpflegeausbildung. Auch Fortbildungen werden dazu angeboten. "Spiritualität als wichtiger Bestandteil in der Betreuung der Patienten": Wie ist dieser Anspruch in einem durchorganisierten Klinikbetrieb, bei dem immer die Uhr mitläuft, überhaupt zu schaffen? Wirtz: Es ist sicherlich schwierig, diesem Anspruch gerecht zu werden, aber wir verbinden sachbezogenes Handeln mit der nötigen spirituellen Zuwendung. Warum beschäftigt Sie persönlich das in der Moderne mit einem Tabu belegte Thema Sterben? Wirtz: Bei einem Aufenthalt in Indien habe ich das Sterbehaus der Mutter Theresa besucht. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe erlebt, wie wichtig es ist, dass Nähe und Berührung stattfinden kann. Das Erfahren der endgültigen Grenze, die wir haben, ist ein Prozess, der den Menschen auch weiter voran zu kommen hilft. Die Fragen stellte unsere Redakteurin Sonja Sünnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort