Adieu ihr Torten und Trüffel

Kinheim · 56 Jahre seines Lebens hat Jürgen Hünnekens als Konditor verbracht. Doch nun ist die Zeit für den Abschied gekommen. Weil es keinen Nachfolger gibt, geht in Kinheim eine Ära zu Ende. Viele Menschen werden die süßen Köstlichkeiten vermissen.

Kinheim. Von wenigen Tagen hat sich Jürgen Hünnekens noch Gedanken über eine neue Kreation - eine Nougattorte - gemacht. Das sollte doch der Anspruch eines Konditors sein, werden viele Zeitgenossen denken. Aber nicht, wenn in wenigen Tagen der Betrieb geschlossen wird. Doch Hünnekens hat den Anspruch bis zum letzten Tag, Silvester 2015, sein Bestes zu geben. Und das ist bei ihm eine Mischung aus Handwerk und Kunst.
71 Jahre alt wird der Konditormeister im nächsten Jahr. Das Rentenalter hat er also längst erreicht. So wie er und seine Frau Erika (59) den Kunden gegenübertreten, liegt aber der Verdacht nahe, dass Schokolade nicht nur glücklich macht, sondern auch jung hält. Und auf den Hüften der beiden hat sie sich auch nicht abgesetzt.
Schlechte Rahmenbedingungen


Doch irgendwann kommt der Abschied. Das Paar hat sich um einen Nachfolger bemüht, aber niemanden gefunden. Die Tochter hatte früh einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen.
So schließt ein Traditionsbetrieb nach mehr als 60 Jahren. Jürgen Hünnekens hat ihn 1975 mit 30 Jahren von seinem Vater übernommen. Insgesamt kümmert er sich schon seit 56 Jahren um süße Sachen. Schon mit 14 Jahren begann seine Lehre im Café Raab in Trier - damals wie heute eine Institution.
Die Rahmenbedingungen in Kinheim waren und sind alles andere als gut. Die Konditorei Hünnekens liegt in der engen Burgstraße. Kein Durchgangsverkehr, kein Parkplatz direkt vor der Tür. Trotzdem hat sich schon früh, noch als der Vater den Betrieb führte, so etwas wie Torten-, Kuchen-, Trüffel- und Schokoladentourismus entwickelt.
Der hielt auch an, als die Leute motorisiert waren und zum Einkauf in die Städte fuhren. "Die Kunden kommen von Traben-Trarbach, Bernkastel-Kues und Wittlich, viele auch vom Hunsrück und aus Trier", erzählt Jürgen Hünnekens.
Er erinnert sich an eine Geschäftsfrau aus Trier, die in den 1980er Jahren mit einem 600er Mercedes-Pullmann, gesteuert von einem Chauffeur, zum Kuchenkauf anreiste. "Dann war die ganze Straße zu", erzählt der Konditor. Dazu kommt: Er hat in all den Jahren auch viele Cafés im Umkreis beliefert. Bis ins Jahr 2000 betrieben die Hünnekens auch noch einen Lebensmittel laden. Dort half auch Jürgens Schwester Christa lange mit. Doch dieser Betriebszweig lohnte sich nicht mehr. Das Geschäft mit Kuchen, Torten und Schokolade sei dagegen ständig gewachsen. Weil ihr Macher ein Qualitätsfanatiker ist und ohne künstliche Zusätze und Aromen zu Werke geht. "In all den Jahren gab es nie eine Reklamation", sagt Ehefrau Erika.
Beliebte Mitbringsel


Winzer lieferten Wein, Sekt und Likör und ließen sich Trüffel herstellen. Vor wenigen Monaten belieferte Hünnekens eine große Firma aus der Region zur Hausmesse mit 2500 Besuchern mit Trüffeln. Jeder der Gäste bekam mehrere davon. Ehefrau Erika hatte über einen längeren Zeitraum damit zu tun, sie liebevoll einzupacken.
Hünnekens ist auch bekannt für besondere Torten für Familienfeiern. Pralinen und Trüffel traten bei vielen Urlaubern mit die Heimreise an. Und es kamen Postkarten, auf denen beispielsweise zu lesen ist: "Haben gerade die letzte davon genossen."
Etwa 30 Sorten Kuchen und Torten hat er noch bis Silvester im Angebot. Legendär sind die Brüsseler Torte, die Sucellus-Torte und die Moselwein-Torte. Der Meister hat jeden Tag mindestens ein Stück davon gegessen. Er selbst liebt vor allem die Stachelbeeren-Makronen-Kreation.
Hünnekens glaubt, dass er den Übergang in den Ruhestand gut schafft. Er habe ja genug Zeit gehabt, sich darauf einzustellen. Seine Frau sagt dagegen: "Es wird ihm schwerfallen." Doch die beiden sind guten Mutes. Soziale Kontakte sollen aufgefrischt werden. Ein Mann, der über Jahrzehnte jeden Tag um 4.30 Uhr aufstand, konnte die Nacht nicht zum Tag machen.
Die beiden freuen sich auch darauf, schöne Ecken von Deutschland oder dem nahen Ausland mal im Frühjahr oder Herbst zu sehen. Bisher war das nur im Januar möglich, wenn ein paar Wochen Betriebsruhe herrschte.
"Ich bin mal gespannt, ob er jetzt das Kochen anfängt", sagt Ehefrau Erika. Das weiß ihr Mann noch nicht. Schließlich will er seinen glänzenden Ruf nicht am Herd verspielen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort