"Alle schauen weg"

WITTLICH. Nicht ältere Herrschaften, sondern überwiegend junge Männer sind Opfer von Gewalt. Der TV hat den 16-jährigen Andreas X. (Name von der Redaktion geändert) befragt, der kürzlich in Wittlich am Zob ohne Vorwarnung verprügelt wurde.

Sie wurden unverschuldet Opfer einer Schlägerei. Welche Verletzungen haben Sie und Ihre Freunde erlitten?Andreas: Ich habe Schläge besonders auf den Kopf bekommen, Prellungen, Schwellungen, sichtbare Verletzungen, die auch fotografiert wurden. Ich hatte einige Tage Kopfschmerzen und war krank geschrieben. Bleibende Schäden habe ich nicht. Mit welchen Ängsten müssen Sie nun fertig werden?Andreas: Ich werde in Zukunft nicht mehr mit dem Bus nach Hause fahren, mein Vater und andere Eltern werden mit dem Auto unsere Fahrten organisieren. Es ist scheinbar nicht möglich, auf dem Zob gefahrlos auf einen Bus zu warten. Wir werden uns eher nicht in Wittlich aufhalten, sondern lieber irgendwo anders. Wir wollen nicht noch mal verprügelt werden. Gibt es Ihrer Ansicht nach Gruppen, die am Zob Streit suchen? Andreas: Es ist doch schon seit Jahren bekannt, dass sich auf dem Zob eine Jugendbande aufhält und den Zob, den Parkplatz vor dem Plus und die Skaterbahn als ihr Eigentum betrachtet und auch mit Drogen handelt und raucht. Einer von denen, die uns verprügelt haben, hat schon mal einen Kebab-Laden überfallen und Autos aufgebrochen. Von einem anderen - ein Wittlicher - weiß ich, dass er auch schon mal einen Busfahrer angegriffen hat. Das habe ich aber alles erst nachher erfahren. Ich habe auch gehört, dass sie kleineren Kindern Geld und andere Sachen abnehmen und stehlen, und, dass viele sich gar nicht mehr auf den Zob trauen und Angst haben, wenn sie nach der Schule auf den Bus warten müssen. Was glauben Sie, könnte getan werden, damit das, was Ihnen passiert ist, sich nicht wiederholt?Andreas: Mehr Polizei, die gerade auch nach Schulende, wenn viele Leute und Schulkinder auf den Bus warten, am Zob ist, denn die kennen die Schläger. Auch die Verantwortlichen der Stadt müssten sich um die Zustände kümmern und nicht so tun, als gehe es sie nichts an. Wissen Sie, ob die Schläger bislang ungestraft davon gekommen sind? Andreas: Ich habe meine Sache einem Rechtsanwalt übergeben, und in drei bis vier Monaten ist die Verhandlung gegen die Schläger. Warum ist der Zob möglicherweise baulich kein optimaler Ort?Andreas: Der Zob ist durch die Tafeln, die Ankunft und Abfahrt anzeigen, nicht gut einzusehen. Was raten Sie anderen Jugendlichen? Andreas: Nie zurückschlagen, weglaufen, Polizei rufen. Schnell hat man eine Flasche oder einen Stein im Gesicht oder Auge und hat bleibende Schäden. Ansonsten: Zob und Stadt Wittlich meiden, bis man sich wieder gefahrlos dort aufhalten kann. Bevor Sie selbst Opfer wurden, haben Sie schon einmal etwas von Schlägereien am Zob mitbekommen, wenn ja was? Andreas: Mit dem asozialen Pack am Zob, das war ja schon seit Jahren bekannt, aber ich habe nie gedacht, dass ich selbst einmal Opfer werden würde. Viele Opfer gehen erst gar nicht zur Polizei. Ich habe mich geärgert über den Artikel in der Zeitung, da stand "Schlägerei am Zob". Das war keine Schlägerei sondern ein Überfall auf uns. Jemand, der das liest, denkt vielleicht: Schon wieder eine Schlägerei unter Jugendlichen! Und das ist eher verharmlosend. Es muss doch möglich sein, gefahrlos auf einen Bus warten zu können. Der Missstand mit dieser Jugendbande ist doch schon seit Jahren der Stadt und der Polizei bekannt, nichts ist passiert. Das ist das, was mich ärgert. Es gibt immer wieder Opfer, Straftaten, Rauschgifthandel, -konsum, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen - immer von den gleichen Leuten - seit Jahren, und nichts geschieht. Jeder schaut weg. S Die Fragen stellte unsere Redakteurin Sonja Sünnen

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort