"Alles ist da, nur ist niemand da"

KINHEIM. "Was braucht die Seele unserer Kinder?", Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Gesprächsabends im Kinheimer Pfarrheim.

Glückliche Kinder zu haben - dies ist vermutlich der Wunsch aller Eltern. Kein Wunder also, dass der Gesprächsabend in Kinheim auf großes Interesse stieß und die Organisatoren vom Kindergarten Kinheim und vom Dekanat Traben-Trarbach 50 Eltern begrüßen konnten. Und die kamen im Pfarrheim Kinheim auf ihre Kosten. Denn der Referent des Abends, Bernhard Thull, ist nicht nur Diplom-Sozialpädagoge, Lehrer und Sonderpädagoge. Er hat sechs Kinder, zwei Pflegekinder und 14 Enkelkinder kann deshalb aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Glückliche Eltern, glückliche Kinder

Anschaulich, lebensnah, erfrischend und mit vielen Beispielen aus dem Leben brachte Thull die Eltern aber nicht zur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken. Seine Grundthese: "Wenn Mama und Papa glücklich sind, dann ist das die beste Voraussetzung dafür, dass auch die Kinder glücklich sind." Glückliche Kinderseelen vertragen keine Gewalt, so ein weiterer Schwerpunkt des Gespräches. "Gewalt beginnt jedoch nicht erst mit Schlägen", sagt der Experte. Gewalt beginnt nach seiner Auffassung da, wo Kinder nicht authentisch leben dürfen. Wo Kinder nicht ihr Fühlen ausleben, ihr Denken ausdrücken und nur mit Verboten überschüttet werden, da ist die gesunde Entwicklung der Kinderseele gefährdet. Die Kinder zu authentischen, ehrlichen Menschen zu erziehen, sei das beste Fundament für selbstbewusste Kinder. So gewappnet, kämen Kinder gut durch das Leben und seien auch mutiger, wenn die Gefahr von Missbrauch drohe. Keine Gewalt in der Erziehung sei natürlich ein guter Ansatz. Was aber, wenn Kinder sich zanken, lautete eine der interessierten Rückfragen. "Einmischen ist völliger Blödsinn", erwidert Thull. Konflikte seien notwendig, um eine Identität zu bilden. Gerade die Konkurrenz von Geschwistern biete beste Möglichkeiten. Einzelkinder erlebten das "Aneinander-Reiben" zum Beispiel im Kindergarten: "Und wir sehen: Kinder lösen die Konflikte selbst ganz einfach." Pech nur, wenn den Kleinen diese Fähigkeit abgesprochen wird: "Leider ist es ja heute so, dass hinter jedem Busch eine Mama sitzt", ärgert sich der Fachmann. Eine dritte Säule für ausgeglichene Kinderseelen ist es, Langeweile zu vermeiden. "Langeweile ist eine Säule der Kultur", so Thull. Wo diese Langeweile nicht mit übervollen Spielzimmern, Computerspielen und übermäßigem Fernsehkonsum zugeschüttet würde, da zeige sich bald, dass wir in unseren Kindern "lauter kleine Künstler" hätten. "Die Seele unserer Kinder braucht das viele Spielzeug nicht. Vielmehr gilt es, ihre Phantasie zu fördern." Kinderseelen können nur dort reifen, wo Menschen, vor allem Eltern, Zeit für sie haben - das ist der rote Faden, den Thull immer wieder aufgreift. Treffend zitiert er ein Kind, dass das Zuviel an Konsum und das Zuwenig an Elternzeit so auf den Punkt brachte: "Alles ist da, nur niemand ist da!" Die Folge des häufigen Zeitmangels sei, dass viele Kinder "nicht ungezogen, sondern unerzogen" seien. Kinder zu eigenständigen, selbstbewussten und authentischen Menschen zu erziehen, beinhaltet nach Thull auch Konsequenz in der Erziehung und das Einhalten von gesteckten Grenzen. Nicht Schulen, Kindergärten und Einrichtungen seien das Problem heutiger Erziehungs- und Bildungsprobleme, sondern Erziehung müsse zuerst in den Familien geschehen. Jedoch dürfe auch Grenzziehung nicht über Schläge geschehen, sondern zum Beispiel über die Körpersprache. Fordern, aber nicht überfordern

Das Kind, so Bernhard Thull, "muss die Chance bekommen, etwas zu lernen". Wer sein Kind anweist, zum Beispiel das Zimmer aufzuräumen, in der Nähe bleibt und darauf achtet, das Kind nicht zu überfordern, erzielt seiner Erfahrung nach die besten Erfolge. Beim Grenzen setzen seien jedoch jegliche Etikettierungen wie "Du bist böse/ungezogen/faul" unangebracht. "Man muss klar unterscheiden zwischen dem, was ein Mensch macht, und dem, was er ist", sagt der Referent. Und am Schluss seines Vortrags gab Thull den Eltern am Schluss noch eine Faustregel mit: "Gut für Kinderseelen ist es, wenn Erwachsene ihnen dieselbe Würde zusprechen, wie sie sich selbst zusprechen." Die Organisatoren dankten Bernhard Thull mit einem symbolischen Geschenk, mit wildem Wein. Es gehöre Fingerspitzengefühl dazu zu entscheiden, wie viel Freiraum und wie viel Beschneidung die Pflanze zum Wachsen benötigt. Zu diesem Fingerspitzengefühl in Sachen Erziehung habe Thull ermutigt, lobten sie am Ende eines aufschlussreichen Gesprächsabends in Kinheim.

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