Als Apollo wie ein Bruder auf vier Beinen war

WITTLICH. Ross und Reiter mitten in der Stadt? Vor 50 Jahren war das so: Auf dem Gelände der Firma Heinrich Lütticken wurde vor 50 Jahren der "Reit- und Fahrverein für Eifel und Mittelmosel mit Sitz in Wittlich" gegründet. Margret Reugels Vater war dabei. Sie erinnert sich.

"Stelldichein" zum Abritt zur Hubertusjagd im roten Rock war auf dem Viehmarkt, Volten und Sprünge wurden auf dem Sandplatz nahe des Friedhofs Burgstraße geübt: In seinen Anfängen "lebte" der Wittlicher Reitverein im Herzen der Stadt. Sein Ruf jedoch sprengte die Stadtgrenzen. Das zeigt ein Blick in die damals vom Verein herausgegebenen "Reiter Rundschau" und die Mitgliederliste: Aus Spangdahlem, Bitburg, Cochem, Luxemburg - sogar aus Trier kamen die Reiter. Reisen von Turnier zu Turnier

Die 60er und 70er Jahre waren Glanzzeiten. "Der Verein war weit und breit bekannt. Claudia Mühlenbrock gewann 1967 die Deutsche Juniorenmeisterschaft in der Vielseitigkeit. Schon 1963 wurden die Voltigierer, trainiert von Ilse und Paul Lorenz, Deutsche Meister", erzählt Margret Reugels. Die Wittlicherin, deren Vater Willy Reugels Gründungsmitglied war, hat Fotos und Artikel aus jener Zeit aufbewahrt. Auf der Sportseite des TV von 1967 steht denn auch neben der Schlagzeile "Schockemöhle siegte in Wülfrath" gleich "Wittlicher Voltigiergruppe wieder Meister". Das Privatgelände von Heinrich Lütticken, den Margret Reugels als Mann mit Charisma beschreibt, war längst zu klein geworden. Man zog um zum heutigen Standort im Sportgelände unterhalb der Weinberge und errichtete mit Hilfe der solventen Mitglieder Springplatz, Dressurplätze, Reithalle und Stallanlage. Mit Hildegard Lütticken, der Witwe des Gründers, tauscht Margret Reugels heute noch gerne Erinnerungen an diese Zeit aus: "Unsere Turniere waren ein Ereignis." 2000 Zuschauer kamen allein zu den Abschlussveranstaltungen, und man selbst reiste am Wochenende ebenfalls von Turnier zu Turnier: "Wenn fünf Leute von uns gestartet sind, sind 50 vom Verein mitgefahren. Für uns Kinder war das Vereinsleben auch toll und abwechslungsreich - manchmal waren wir sauer, wenn wir mit den Eltern in den Urlaub fahren mussten." Und Engagement für den Verein war Ehrensache. "Etwas Positives erleben wollen und nichts dafür tun, das funktioniert nicht", meint die frühere Reiterin, die auch eine Mini-Springanlage mitgebaut hat, die bei den Reiterbällen im Casino zur Tischdekoration wurde. Aus Zigarren- und Käsekistchen wurden Mauer, Zaun, Ochser, Schweinestall, wie die Sprünge im Reiterdeutsch heißen, gebaut und angestrichen. Margret Reugels hat sie noch und - wie jeder passionierte Reiter - die Erinnerung an ihr Pferd, Apollo, mit dem sie über 20 Jahre teilte: "Er war wie ein ‚Bruder‘, Stockmaß 1,78 Meter, sieben Zentner schwer. Der konnte fast alles, und musste natürlich in der Box herhalten, wenn ich gelacht oder geweint habe." Sie, die selbst wegen einer Fußverletzung nicht mehr in den Sattel steigen kann, sagt: "Einfach eine Stunde reiten gehen, das funktioniert nicht. Ein Pferd kostet viel Zeit. Zum Reiten gehört putzen, satteln, trockenreiben - Box ausmisten und anderes mehr. Wichtig ist Verständnis für die Kreatur und Respekt vor ihr. Manch einer sieht ja heute ein Pferd als Sportgerät an." Sie selbst, die den Reitsport nicht mehr ausüben kann, ist ihrer Leidenschaft "Pferd" dennoch treu geblieben, als Fotografin für künstlerische Bilddokumentation sind Pferde ihr liebstes Motiv. Wertvolle Ratschläge bekam sie bei einem der renommiertesten Pferdefotografen, Jacques Toffi. Doch auch für diese Passion gilt: "Die Kenntnisse vom Umgang mit dem Pferd und die Liebe zur Kreatur gehören dazu. Das hilft bei der Arbeit mit der Kamera." An zwei Wochenenden, 23./ 24. April und 30. April/1. Mai, ist der Wittlicher Reitverein zum Jubiläumsjahr großer Turnierausrichter auf der Anlage im Sportzentrum. Der Verein freut sich über viele Zuschauer und bietet neben den Prüfungen Vorführungen rund ums Pferd und die Reiterei. Am 23. April ist ab 20 Uhr Disko im Zelt, am 30. April, 20 Uhr, Festabend "50 Jahre RV Wittlich". Am 1. Mai gegen 14 Uhr gibt es ein großes Showprogramm auf dem Tuniergelände.

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