Als Männlein und Weiblein zusammen ins Wasser durften

WITTLICH. Vor 70 Jahren öffnete ein einzigartiges Unternehmen seine Pforten: das Wittlicher Vitelliusbad. Anfang der 90er entwickelte sich das Sportbad zum Spaßbad.

"Aus aller Augen leuchtet die unverhohlene Freude, in kurzer Zeit in einer solch schönen Anlage sich herumtummeln zu können, und man kann sich vorstellen, was die Freigabe für einen Jubel auslösen wird", schrieb das Wittlicher Tageblatt kurz vor Fertigstellung der neuen Sportstätte. Bereits im Sommer 1934 hatten die Planungen für ein 50-Meter-Becken der Olympianorm begonnen. Bürgermeister Karl Hürter kümmerte sich persönlich um das Projekt, das künftig zum stärksten Besuchermagneten der Stadt werden sollte. Großes Vorbild war das Opelbad in Wiesbaden. Es war nur ein Jahr zuvor im Bauhausstil angelegt worden und gilt heute als eines der schönsten Schwimmbäder Deutschlands. Im Herbst begannen in Wittlich die Bauarbeiten. Schaufel und Spaten waren die wichtigsten Werkzeuge. Nebenbei startete man mit dem Projekt eines der erfolgreichsten Beschäftigungsprogramme der Region. Einheimische Arbeiter und Handwerker konnten ihrer Arbeitslosigkeit ein Ende setzen. Die Finanzierung stemmte die Stadt aus eigener Kraft. Nach wenigen Monaten war das große Werk vollbracht: "Sonne scheint und Fahnen weh'n, was ist heute wohl gescheh'n? Heute eilet Jung und Alt, in die neue Bad'anstalt", dichteten die Badebegeisterten "Wasserratten", eine Gruppe Wittlicher Damen, zur Eröffnung am 21. Juli 1935 voller Vorfreude. Die ganze Stadt war außer sich. "Ein großer Plan wurde Wirklichkeit", titelte das Trierer Nationalblatt am 22. Juli: "Wo noch vor einigen Tagen Hammerschläge klangen, wo fleißige Hände am Werk waren, da sprang gestern auf das Kommando des Bürgermeisters Hürter ‚Ins Wasser!' die Jugend mit einem Freudenschrei in die kühle Flut des neuen städtischen Freibads." Fränzel Hürter erinnert sich noch sehr genau: "Es war ein Riesenspektakel! Vom höchsten Sprungturm wurden die Eröffnungsreden gehalten. Die ganze Stadt freute sich über die neue Attraktion. Das war ein außergewöhnliches Ereignis." In der gesamten Westmark und dem Moselland, die weite Teile des heutigen Rheinland-Pfalz einschlossen, war das Freibad konkurrenzlos. Weit und breit existierte kein Schwimmbad, das es mit dem Wittlicher hätte aufnehmen können. Eine Saisonkarte kostete 1935 fünf Mark. Die zu dieser Zeit übliche und völlig selbstverständliche Geschlechtertrennung wurde überraschend aufgehoben. Männlein und Weiblein durften gemeinsam ins Wasser - und das war revolutionär, erzählt Hürter: "Da hätten Sie mal die Stimmung in der Stadt miterleben sollen. Alle waren geschockt. Niemand konnte glauben, was man da beschlossen hatte." Berühmtheit erlangte das Bad bereits kurz nach Eröffnung durch Reiner Oligschläger. Der Trierer Olympiateilnehmer von 1936 wechselte das Trainingsgebiet und verlegte es aus der Mosel ins neue Wittlicher Becken. Später schlug er sensationell den damaligen Weltmeister Bryendale. Die Einstellung des Weltrekords über 100 Yards Brustschwimmen war sein größter Triumph. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurde das Bad mit Lieserwasser gespeist. Immer wieder musste es daher komplett geleert und gesäubert werden, bis man 1958 endlich die erste Filteranlage einbaute. 1989 kam es dann zur bisher größten Erweiterung. Nach zwei Jahren Bauzeit, während der man sich mit dem 1971 errichteten Hallenbad begnügen musste, konnte das nun "Vitelliusbad" getaufte Gesamtwerk im Mai 1991 eröffnet werden. Marita Schlax kommt seit sieben Jahrzehnten

Kurz darauf kam es zu einem außergewöhnlichen Rekord: Fast 5000 Menschen trieb es an nur einem Tag auf das etwa 20 000 Quadratmeter große Areal. Riesenrutsche, Wildwasserkanal und viele weitere Attraktionen garantieren, dass unter Badebegeisterten niemals Langeweile aufkommt. Zu den außergewöhnlichen Besuchern zählt Marita Schlax. Gerne und regelmäßig schwimmt sie ihre Bahnen - seit 70 Jahren! "Ich komm' jeden Tag. Auch bei schlechtem Wetter", erzählt die 75-Jährige stolz. Früh am Morgen, wenn man die Badegäste noch an den Fingern abzählen könne, sei es am schönsten. "Man kommt sich vor wie ein König!" 17. Juli: Sandburgenbauwettbewerb auf dem Beachvolleyballfeld; 21. Juli: Zum 70. Jahrestag der Freibaderöffnung: Kostenloser Eintritt für den Jahrgang 1935 und alle anderen Geburtstagskinder; 24. Juli: Spiel- und Badespaß: Animation mit Zephyrus; 31. Juli: Wettbewerb: zweites Wettrutschen von der Riesenrutsche.

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