Als die Kühe noch die Wagen zogen

Manderscheid . (red) Josef Röhl, ein Ur-Manderscheider, erzählt gern über das alte Dorf Manderscheid. Er sucht Fotos für eine Dokumentation.

Röhl zählt auf, dass es 76 Bauernbetriebe um 1945 gab, von denen 42 ausschließlich den Familienunterhalt sicherten. Daneben sicherten sechs Schneider, zwei Gerber, sechs Schuster und allein sieben Schreiner den Lebensbedarf der Menschen. Die meisten Gewerbe hatten außerdem eine kleine Landwirtschaft. Metzgereien, Bäcker und Lebensmittelgeschäfte gab es, Obst und Gemüse wurden aber meist in den hauseigenen Gärten angebaut. Allmählich jedoch kehrten fremdartige Obstsorten in die Geschäfte ein. Manderscheid war also das, was man ein "Kuhdorf" nennen könnte. Manderscheid hatte jedoch auch ein anderes Gesicht. Es war schon früh ein anerkannter Luftkurort mit internationalen Gästen. Denn an der Hauptstraße lagen vier wohl ausgestattete Hotels, etliche Gasthäuser und Pensionen und schmucke Vorgärten. Die Hauptstraße, die der jeweiligen Zeit entsprechend ihren Namen änderte, machte einen großzügigen, wohlhabenden Eindruck. Im Unterdorf ging es anders zu. Entsprechend den engen, kleinen Häusern mit Stall und Scheune und wenig rückwärtigem Gelände, das als Hausgarten wichtig war, wurden die Straßen ein Hauptlagerplatz. Der Misthaufen baute sich vor der Tür auf. Bei Regen floß alles in "die Kulang". Leiterwagen mit Aufbauten standen ans Haus gelehnt. Dort lagerte auch das Holz als große Klafter, als raumgreifende Reisigbündel oder in langen Stangen an der Hauswand aufgerichtet. Das Holz wurde erst bei Bedarf klein gemacht. Der Kessel für das Futter der Schweine oder auch der Backes wurden mit Reisig geheizt. So waren die gepflasterten, aber schmalen Straßen zusätzlich eingeengt. Sie waren darüber hinaus auch mit Hühnern bevölkert und mit Kuhdreck verschmiert. Die Hühner waren nicht immer den jeweiligen Häusern zuzuordnen. Sie legten auch ihre Eier schon mal in fremde Nester. Dass dies Anlass zu Streit war, wer könnte das verdenken. Die Kühe, die wenigsten Bauern hatten mehr als drei bis vier, mussten neben dem Kalben und der Milchproduktion auch die ganze Feldarbeit leisten. Der einfache Bauer hatte keine Pferde. Die Kühe zogen also die leeren und beladenen Wagen. Bei der Anstrengung hinterließen die Tiere ihre Fladen - meist auch noch gerade in der ansteigenden Hauptstraße vorm Hotel Zens, was dem herrschaftlichen Gästepotenzial nicht unbedingt genehm war, zumal die Gespanne dann noch direkt vor den Hotels anhalten mussten, wenn die Kuh ihren kräftigen Wasserstrahl niedersausen ließ. Dies alles erklärte "Hahner Jupp" nicht nur, sondern führte es mit vielen Einzelbildern und den besonderen Hausnamen (Wahner, Hahner, Piitsch...) in launiger Weise vor, was oft mit Ergänzungen aus dem eigenen Erfahrensschatz und mit Schmunzeln von den Zuhörern und Zuschauern begleitet wurde. Josef Röhl beabsichtigt nun an Hand des alten Ortsplanes jedes Manderscheider Haus mit Bild, Name, Hausname und Beruf der Bewohner darzusellen. Noch fehlen ihm etliche Bilder, so dass jeder, der noch Fotos aus der Zeit vor den großen Renovierungen und so genannten Modernisierungen hat, gebeten wird, ihm diese Fotos zum Abkopieren zu geben.

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