Alte Riten für den heiligen Sebastian

WITTLICH. Niemand schießt in der Sebastianus-Bruderschaft. Dennoch handelt es sich um eine Schützenbruderschaft, gegründet bereits im Mittelalter, die sich bis heute um Bedürftige kümmert: sie be-"schützt".

Am kommenden Freitag feiern die Katholiken den Namenstag des heiligen Sebastian. Wenn an diesem Tag die Sebastianus-Bruderschaft zur Messe ruft, ist der alte Schützenmeister zum letzten Mal in offizieller Mission tätig: Manfred Zelder führt den Zug der Brüder an, die in der Markuskirche wie vor Hunderten von Jahren eine Reliquie verehren, die sonst unter Verschluss ist. In der Hand halten sie alle eine Kerze, den "Bolzen", wie sie ihn nennen. Gegen Mittag zieht der komplette Vorstand weiter zum Haus des neuen Schützenmeisters. Karl-Josef Hilsemer obliegt für die kommenden zwölf Monate die Aufgabe, die Geschicke der Bruderschaft zu lenken. Wenn Zelder den Pfeil, das Symbol der Sebastianer, seinem Nachfolger übergeben hat, ist seine Amtsperiode beendet. Beim Brudermahl am Abend wird dann der Neue gefeiert.Bruderschaft in rein christlichem Sinn

Wann die "Fraternitas S. Sebastiani Wittliacensis" sich gegründet hat, weiß keiner so genau. Wahrscheinlich entstand sie in Wittlich, ebenso wie anderenorts, bereits im tiefen Mittelalter als Schützengilde. Aus zahllosen Vereinigungen dieser Art wurden im Lauf der Zeit profane Schützenvereine, in denen es nur noch um den Sport geht. Anders bei den Säubrennern: Dokumente belegen die Erneuerung der Bruderschaft im rein christlichen Sinne im Jahre 1636. Erst seit diesem Tag existieren schriftliche Unterlagen. Bewerben kann man sich nicht bei den Sebastianern. Der Vorstand, der aus den jeweils sechs jüngsten, das heißt, den zuletzt aufgenommenen Brüdern besteht, berät jeweils am Dreikönigstag über den nächsten Schützenmeister. Die drei jüngsten ziehen dann zum Haus des Erwählten, der sich sofort entscheiden muss, ob er die Wahl annimmt. Es kommt nur selten vor, dass jemand ablehnt; die Regel ist ein Jawort. Der Vorstand macht sich seine Wahl nicht leicht: Finanziell und geistig unanhängig sollte der Betreffende sein, traditionsbewusst, katholisch, sozial eingestellt und, wo nötig, unbürokratisch und auf dem schnellsten Wege karitativ tätig werden. Denn das sind die Aufgaben, die sich das "recht eigentümliche, ja knorrige und doch so edle Gewächs im Blumengarten der Wittlicher Christenheit" (Matthias Josef Mehs) seit nun 370 Jahren auf die Fahnen geschrieben hat. Mehs schreibt weiter im Wittlicher Tageblatt vom 18. Januar 1936: "Es ist ... der Kern Wittlicher Bodenständigkeit und ... Bürgersinns, zusammengehalten durch die unverwüstliche Schale eines alten Herkommens, das auf Trefflichkeit und Biederheit gegründet ist." Sebastianer ist man auf Lebenszeit. Präsident wird automatisch der Pfarrer von St. Markus, zur Zeit Dechant Rudolf Halffmann; in den Jahren, in denen St. Bernhard einen eigenen Pfarrer hatte, war er Vizepräsident. Jeder Neuzugang fungiert im ersten Jahr als Schützenmeister, dem sein Vorgänger aktiv zur Seite steht. Er weist dem Jüngsten den Weg durch die Gepflogenheiten der Bruderschaft. Dazu gehört das Privileg, an Fronleichnam den Himmel tragen zu dürfen. Eine Messe pro Quartal füllt die gemeinsame Kasse, aus der zu Weihnachten Hilfsbedürftige in der Stadt, im Einzelfall auch darüber hinaus, unterstützt werden. Was jedes Mitglied nebenbei für seine Mitbürger tut, behält es für sich: Man protzt hier nicht, ist nicht scharf auf Orden, sondern lebt voller Überzeugung neben der christlichen Gesinnung auch die christliche Tat. Jedes Jahr richten die Sebastianer eine Fahrt für Senioren von St. Wendelinus aus. Rollstuhlfahrer sind dann in der Mehrheit. Sie selbst gönnen sich eine Halbtagsfahrt in die Umgebung und ein Grillfest mit der ganzen Familie, damit nicht immer die Männer nur unter sich sein müssen. Termin des ungewöhnlichen Festhochamtes: Freitag, 20. Januar, 10.30 Uhr, in der Pfarrkirche St. Markus.

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