Angekommen in der neuen Heimat

Brauneberg/Wittlich · Vor drei Jahren kam sie aus Marokko nach Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Drei Jahre später hat Soukaina El Machhour ihre Gesellenprüfung als Beste ihrer Schule bestanden. Die Sprache ist für sie der Schlüssel für ihr neues Leben an der Mosel.

 Soukaina El Machhour (Mitte) in der Backstube mit ihren Lehrherren Karsten und Anni Fleury. TV-Foto: Nora John

Soukaina El Machhour (Mitte) in der Backstube mit ihren Lehrherren Karsten und Anni Fleury. TV-Foto: Nora John

Foto: (m_mo )

Brauneberg/Wittlich. Die junge Marokkanerin ist in Deutschland angekommen. Sie hat ihre Bäckerlehre mit einem "Sehr gut" in der Praxis und einem "Gut" in der Theorie bestanden. Sie spricht fließend Deutsch, hat den Führerschein gemacht und ist mit einem Deutschen aus Neumagen-Dhron verheiratet. Im Oktober erwartet sie ihr erstes Kind.
Ihr Weg war nicht einfach. Vor drei Jahren kam sie durch Vermittlung von Bruder Nikolaj Bromberg aus Wittlich zur Bäckerei nach Brauneberg. Bromberg hat in Marokko eine Schule gegründet, und die dortigen Lehrer empfahlen Soukaina, die mit neun Schwestern aufgewachsen ist, weiter.90 Worte pro Monat


Die junge Frau kann sich noch gut an ihre damalige Flugreise nach Deutschland erinnern. Niemand konnte sie an Bord des Fliegers verstehen. Überhaupt war die Sprache die größte Hürde auf dem Weg in die Integration. "Am Anfang hatte ich richtig Heimweh", erzählt sie. "Es ist doof, wenn man nicht mit den Leuten reden kann", sagt die junge Frau rückblickend.
Aber sie lernte schnell. Ihr Ausbilder Karsten Fleury legte von Anfang an großen Wert darauf, dass sie direkt Deutsch lernt und auch nicht auf Englisch ausweicht. "Jeden Tag drei Worte", war das Motto. Das waren in einem Monat schon 90 Worte. "Damit kann man schon viel sagen." Sogar die theoretische Führerscheinprüfung hat sie in der deutschen Sprache absolviert. In den ersten drei Monaten gab es für die junge Frau kein Internet und kein Handy. Sie durfte lediglich drei Mal in der Woche mit den Eltern in Marokko telefonieren. Fleury war das wichtig. "Man ist sonst mit dem Kopf immer noch zu Hause", sagt er.
Diese Erfahrung hatte er bei einem anderen Auszubildenden aus Marokko gemacht, der sich in Deutschland nicht integrieren konnte und deshalb wieder zurück musste in die Heimat. Soukaina dagegen lernte schon in den ersten Wochen einen strukturierten Tagesablauf aus Arbeit, Lernen und Freizeit.
Auch Anfeindungen von anderen Jugendlichen hat Soukaina erlebt. Es sei ihr vorgeworfen worden, anderen Geld oder Arbeit wegzunehmen. Und man habe ihr nahegelegt, doch wieder nach Hause zurückzukehren. Das habe sich aber gelegt, als sie in der Schule gute Leistungen zeigte und auch die Sprache besser beherrschte. Bei komplizierten Mathematikaufgaben war ihre Hilfe bei den Klassenkameraden sogar sehr gefragt. Seit dem Frühjahr ist Soukaina jetzt verheiratet. Ihr Mann, ein 31-jähriger Automechaniker, den sie vor etwa einem Jahr kennenlernte, ist zusammen mit ihr zu den Eltern nach Marokko gereist, um bei dem Vater um ihre Hand anzuhalten. Eigentlich eine Sache, die dort nach alter Tradition nur unter Männern geregelt wird. In diesem Fall musste Soukaina aber als Übersetzerin fungieren.Ungewisse Zukunft


Ihre Eltern wünschen sich zwar, dass ihr Mann zum Islam übertritt. Für sie ist das aber nicht wichtig. "Das überlasse ich ihm", sagt sie.
Ob sie jetzt dauerhaft in Deutschland bleiben kann, ist aber trotz der Heirat noch ungewiss. Nach Abschluss der Lehre hat sie erst eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr. Für Karsten Fleury und seine Mutter Anni ist das unverständlich. "Sie hat den Staat noch keinen Cent gekostet", sagen sie übereinstimmend.
Im Gegenteil, denn die junge Frau hat während ihrer Ausbildung und jetzt als Gesellin Steuern, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung bezahlt. Und das mit dem Wissen, dass sie erst nach einigen Jahren auch Ansprüche daraus erwirbt.
Ihre Eltern waren im vergangenen Jahr zu Besuch (der TV berichtete). Sie verließen für diese Reise erstmals ihr Dorf. In Brauneberg konnten sie sich ein Bild machen, wie ihre Tochter lebt und wie sie ihr Geld verdient, mit dem sie ihre Familie in der Heimat auch etwas unterstützen kann.
Obwohl ihre eigene Welt vollkommen anders ist als die ihrer Familie in der Heimat, sei der Vater sehr stolz auf sie: "Das ist meine Tochter, die wohnt jetzt in Deutschland."

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