Arbeitsplatz direkt am Fluss

TRABEN-TRARBACH. Acht Fahrtkarten-Verkaufsstellen des Schifffahrtsunternehmens Michels/Danielmeier stehen zwischen Traben-Trarbach und Bernkastel-Kues an den Moselufern, und eine davon wird "das Häuschen der Sieglinde" genannt. Seit nunmehr 29 Jahren verkauft die Enkircherin Sieglinde Groh Fahrkarten, berät die Kunden und hält überdies viele Tipps für Touristen bereit.

 Seit 29 Jahren verkauft die Enkircherin Sieglinde Groh in Traben-Trarbach Schiffsfahrkarten und berät die Kunden – und hat dabei alle Hände voll zu tun. Wenn die Schiffe abgelegt haben und etwas Ruhe einkehrt, lässt sie die Stricknadeln klappern oder liest den Trierischen Volksfreund. Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Seit 29 Jahren verkauft die Enkircherin Sieglinde Groh in Traben-Trarbach Schiffsfahrkarten und berät die Kunden – und hat dabei alle Hände voll zu tun. Wenn die Schiffe abgelegt haben und etwas Ruhe einkehrt, lässt sie die Stricknadeln klappern oder liest den Trierischen Volksfreund. Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Am 1. Mai 1976 nahm sie ihren Dienst am Trarbacher Moselufer in dem rund acht Quadratmeter großen Eisenhäuschen auf. Kollege Horst Liebscher, der gegenüber in Traben die Karten verkauft, hat genau so viele Dienstjahre hinter sich. "Früher war er Schiffsführer, seit fünf Jahren verkauft er Fahrkarten", sagt Sieglinde Groh, und bescheiden merkt sie an, dass die Schiffsführer Eberhard Karg und Peter de Braber ja noch viel länger für das Unternehmen tätig seien als sie und der Kollege vom anderen Moselufer. In Enkirch ist sie geboren und aufgewachsen, der Fluss gehört zu Sieglinde Grohs Leben, und sie weiß vieles über ihn zu berichten. "1964 wurde die Mosel kanalisiert, bis dahin gab es hier nur ganz wenig Personenschifffahrt", berichtet sie. Traben und Trarbach wurden damals vom Fährmann "Jopa" und seiner kleinen Fähre miteinander verbunden. Mitte der 60er Jahre nahm die Firma Norbert Urmetzer in Traben-Trarbach die Personenschifffahrt auf, 1986 kaufte Hans Michels das Unternehmen. Vom 1. Mai bis 1. November versah Sieglinde Groh fortan täglich ihren Dienst. "In den Anfangsjahren freuten wir uns, wenn wir 15 bis 20 Fahrgäste hatten", erinnert sich die Enkircherin, die sich heute über einen Mangel an Flusstouristen nicht beklagen kann. Dann hat sie alle Hände voll zu tun, aber die Arbeit macht ihr immer noch viel Freude. Im Jahr 2000 ging Sieglinde Groh in Rente, seitdem ist sie als Aushilfe einmal pro Woche von 9 bis 17 Uhr in "ihrem" Häuschen, das mit seinen Gardinchen vor den Fenster richtig heimelig wirkt. Bei Hitze hilft die Markise

An kalten Tagen spendet ein Gasofen Wärme, bei Hitze kann Sieglinde Groh eine Markise herunter lassen. Fünfmal am Tag verlässt sie ihr kleines Refugium, um die Abfahrtszeiten der Schiffe auf den Tafeln und Schildern rund ums Häuschen zu aktualisieren. "Das geht in Fleisch und Blut über", sagt Groh, der die Arbeit auch nach so vielen Dienstjahren nicht langweilig geworden ist. Sie schätzt den Kontakt zum übrigen Personal des Unternehmens, "das ist eine enge Verbundenheit", und über Funk ist die Fahrkartenverkäuferin mit allen Schiffsführern verbunden. "Ich hätte aber nicht gedacht, dass ich mal so lange an der Mosel sitzen würde", lacht die Enkircherin, die im elterlichen Winzerbetrieb eine kaufmännische Ausbildung absolvierte.Schicksalsschläge tapfer gemeistert

Die zweifache Großmutter engagiert sich seit Jahrzehnten in der evangelischen Frauenhilfe, und Schicksalsschläge - erst erkrankte sie schwer, dann verstarb Ehemann Wolfgang ganz plötzlich - meisterte sie tapfer und verlor nicht ihren Optimismus und die freundliche Ausstrahlung. Ihre Kunden wissen das zu schätzen. Sie erhalten nicht nur die Fahrkarten am "Häuschen der Sieglinde", sondern werden auch sachkundig beraten. Überdies hält Sieglinde Groh für die Urlauber wertvolle Tipps bereit. Die reichen vom kostenlosen Parkplatz bis zu den Sehenswürdigkeiten der Jugendstilstadt Traben-Trarbach, die sich in einem Rundgang erschließen lassen. "Hier kommen viele Leute vorbei", hat sie festgestellt, und Schiffsfahrten auf der Mosel schätzen nicht nur die deutschen und niederländischen Urlauber - sie bilden die Mehrzahl - , sondern auch Franzosen, Dänen, Belgier und Luxemburger. Sieglinde Groh sitzt übrigens im "Zweithaus". Als Pfingsten 1983 ein Hochwasser die Mosel heimsuchte, waren alle Anlegestege und Fahrkartenhäuser schon am Ufer. "Man schaffte es damals nicht mehr, mein Häuschen noch rechtzeitig abzubauen", erinnert sie sich. Es wurde mitsamt ihren persönlichen Sachen von den Fluten fortgerissen und tauchte nie mehr auf. Sieglinde Groh vermutet, dass es am Woog liegt, wo die Mosel mit 16,64 Metern ihre tiefste Stelle hat.

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