Auch eine Schule fürs Leben

WITTLICH. Im neuen Haus der Jugend (HdJ) geht es mit großen Schritten voran. In Eigenleistung wird entkernt, werden überflüssige Wände abgerissen und alte Kacheln entfernt.

 Zupacken muss sein: Alex entfernt einen der denkmalgeschützten Holzbeschläge.Foto: Petra Geisbüsch

Zupacken muss sein: Alex entfernt einen der denkmalgeschützten Holzbeschläge.Foto: Petra Geisbüsch

Pünktlich zum neuen Jahr haben die Mitarbeiter des HdJ ihre neue Bleibe gegenüber dem leeren Platz bezogen, auf dem einmal das legendäre Haus Schumacher stand. Doch bezogen ist zu viel gesagt: So, wie die Straßenprojektgruppe das Haus verließ, kann es nicht bleiben. Das Gebäude einschließlich gewisser Inneneinrichtungsteile steht unter Denkmalschutz, das gesamte Heizungs-, Strom- und Wassersystem muss erneuert und vor allem dem Bedarf eines Jugendhauses angepasst werden. Der Beginn der Arbeiten, die für ortsansässige Handwerksunternehmen ausgeschrieben waren, hat sich verzögert, unter anderem deshalb, weil man sich bei der Heizung komplett verkalkuliert hatte.Fleiß und Solidarität

Also noch mal der Gang durch Ausschuss und Stadtrat. Die jetzige Situation, in der zahlreiche Jugendliche selbst Hand anlegen für ihre zukünftige Behausung, war also gar nicht vorgesehen, passt den Verantwortlichen jedoch gut ins Konzept, weil sich völlig unerwartet eine Eigendynamik von Fleiß und Solidarität entwickeln konnte. HdJ-Leiter Hans "Flutsch" Floter: "Wäre alles nach dem ursprünglichen Zeitplan gelaufen, dürfte von uns heute keiner hier herumschwirren." Diese Vokabel trifft das Geschehen ins Schwarze, denn pünktlich ab 8 Uhr schwirren seine jungen Mitarbeiter wie im Bienenstock auf sämtliche Etagen aus. Bewaffnet mit allerlei Werkzeug wird ordentlich geschafft, und zwar geordnet in diversen Gruppen. Um Marc Kockelmann ist eine Gruppe entstanden, die seit Anfang Januar auf Abruf bereit steht und zuverlässig erscheint, wann immer größere Arbeiten zu erledigen sind. Da diese Jungs noch zur Schule gehen, sind sie erst am Nachmittag einsetzbar. Jeden Morgen steht einer auf der Matte, der bei seinen Lehrern längst als "nicht beschulbar" galt. Alex macht inzwischen hier ganz offiziell ein Schulpraktikum. Er erkennt die Sinnhaftigkeit dieses handwerklichen Projektes und schafft es plötzlich problemlos, beizeiten aus den Federn zu steigen. Angenehmer Nebeneffekt: HdJ-Mitarbeiterin Jutta Diewald führt ihn behutsam wieder an die normale Schule heran, darf hin und wieder lästige Diktate üben oder setzt sich mit ihm an den Computer. "Kleinere Schuleinheiten", nennen das die Pädagogen, die hoffen, ihm langfristig ein bisschen Lust an der Schule vermitteln zu können. Eine andere Crew hat vom Gericht Sozialstunden aufgebrummt bekommen. "Es hat sich dort herumgesprochen, dass bei uns eine geeignete Arbeitsfläche für solche Stunden besteht", so Floter erfreut. Einige dieser Gruppe sind noch Schüler und kommen erst nachmittags, andere tanzen ebenfalls um 8 Uhr an. Die anstehenden Arbeiten scheinen einen magnetische Anziehungskraft zu entwickeln. Auch der 18-jährige Ralf, der zum HdJ im Rahmen von "Arbeit statt Sozialhilfe" gestoßen ist, reißt freiwillig Doppelschichten ab. Und neben Floter kämpft sich noch ein Erwachsener durch Staub und Gerümpel: Karl-Heinz hilft ebenfalls ehrenamtlich.Für das Stadtsäckel entstehen nur geringe Kosten. Hätte man die derzeit noch laufenden groben Arbeiten - Zwischenwände aus Sparkassenzeiten entfernen, Kacheln abklopfen, Deckenelemente entsorgen - an Firmen vergeben: Niemand weiß genau, was das gekostet hätte. Dabei hat sich das Gebäude selbst, trotz zwei Container Gerümpel, die bereits verladen sind, als Glücksfall erwiesen. 4,20 Meter Deckenhöhe im Erdgeschoss schreien förmlich danach, als Veranstaltungsraum von den jungen Leuten erobert zu werden. Die traditionell im Keller liegenden Proberäume für Musiker wird es auch im neuen Haus der Jugend geben. "Aber endlich beheizt!", so Floter. Er lobt die enge Zusammenarbeit mit Planungsbüro und Bauamt. Regelmäßige Gespräche, die direkt zur Sache kommen, ermöglichen auf dem kurzen Dienstweg unkomplizierte Lösungen. Auch spezielle Wünsche seinerseits seien berücksichtigt worden, ob es sich nun um behindertenfreundliche Toiletten und Zugänge oder um neue Anschlüsse für die unten entstehende Küche handelte. Bald soll im Rahmen des vom Arbeitsamt finanzierten Jugendsofortprogramms ein Facharbeiter aus dem Schreinerbereich einige Jugendliche professionell anlernen. Die denkmalgeschützten Parkettböden (Eiche!) und Holzbeschläge an den Wänden erlauben keine Stümpereien. Die hohe Eigenleistung der HdJ-ler ist in Zeiten leerer Kassen äußerst willkommen und wird in manchen Fällen sogar honoriert: Die zuoberst erwähnte Freiwilligen-Crew bekommt zu Ostern einen Segeltörn geschenkt.

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