Auf dem Esel zur Burg

BERNKASTEL-KUES. Die Vorbereitungen für ein besonderes Stadt-Jubiläum haben begonnen: Im nächsten Jahr feiert Bernkastel-Kues seinen Zusammenschluss. Zu diesem Anlass hat Gerhard Lenssen eine Festschrift verfasst.

Am 1. April 1905 wurden Berncastel und Cues "geschwisterlich" vereint. Doch die Vereinigung zu einer Doppelstadt war alles andere als eine Eilentscheidung. Und einfach war sie auch nicht. "Die Vereinigungsgeschichte zog sich über 30 Jahre", sagt Gerhard Lenssen. Den ehemaligen Stadtbeigeordneten interessiert die Entwicklung zu einer gemeinsamen Stadt. Daher machte er sich in allerlei Archiven über den "mühevollen Werdegang" kundig. Als Beitrag zum Stadtjubiläum hat Lenssen es sich zur Aufgabe gemacht, eine Festschrift zusammenzutragen. "Die soll sich aber nicht nur mit den offiziellen Abläufen der Vereinigungsgeschichte befassen, sondern auch das politische und gesellschaftliche Zeitgeschehen beleuchten, in die der Zusammenschluss fiel." So hat er viel interessantes und amüsantes Zeitkolorit hineingebracht. Was hat Berncasteler und Cueser damals interessiert? Was haben sie gedacht? Wie haben sie gesprochen? Worüber haben sie gelacht? Für Lenssen bedeutete das Stöbern in Archiven nicht nur akribische Arbeit, "es war spannend und erheiternd zugleich". Fündig wurde er im Archiv im Bernkasteler Rathaus, im Kreisarchiv in Wittlich und im Landeshauptarchiv in Koblenz. Wesentliche Teile seines Festschrift-Entwurfs stammen aus der ehemaligen "Bernkastler Zeitung". Dokumentiert hat er die Textpassagen mit historischen Fotos. Lenssen fand in einem Keller ein Riesenarsenal an Bildern. "Der Besitzer war einst Zählerableser beim RWE und sammelte überall, wo er hinkam die alten Ansichten." Historisch aufschlussreich, aber auch amüsant zu lesen sind die Ausführungen. Wie wäre es, wenn heute noch die Landrätin mit "Euer Hochwohlgeboren", ein Bürgermeister aber nur mit "Euer Wohlgeboren" betitelt würde? In die Zeit Ende 1900 fiel auch die Eröffnung der Zweigbahn Wengerohr-Bernkastel und Anfang 1900 die Einrichtung der Moseltalbahn. Und immer wieder wurden neue Anläufe zur Vereinigung genommen, immer wieder ging die Initiative von Bernkastel aus (auch um das Stadtgebiet auf der Cueser Seite zu vergrößern), und immer wieder hat Cues widerstanden. Als es dann fast so weit war, da wollten beide nicht mehr. 1904 war auch die Moselbahnstrecke fertig, und fast täglich berichtete die Bernkasteler Zeitung "vom Hofe" - etwa, dass der Kaiser an einer Fasanenjagd in Schlesien teilnahm oder mit dem Chef des Admiralsstabs einen "Sonnabendmorgen-Spaziergang" unternahm. In der neuen Badeanstalt oberhalb der Kalkbrennerei kostete ein Bad 30, ein Volksbad zehn und der Verleih einer Badehose ebenfalls zehn Pfennige. Und über eine Erleichterung des beschwerlichen Fußwegs hinauf zur Burg Landshut hat man sich auch schon Gedanken gemacht. Für große Freude sorgte bei der Jugend die Ankunft der beiden für das Schlosshotel bestimmten Esel, denn so konnte man bequem zum Hotel und zur Burg hinauf- und herunterreiten.Alkoholmissbrauch von Kellnern verhindern

Eine andere Anekdote: Noch 1905 stand einem Lehrer "nach allerhöchster Kabinettsorder von 1825" das gleiche Züchtigungsrecht (mit dem Rohrstöckchen) zu wie den Eltern: "Ein körperliches Unbehagen muss hervorgerufen werden, sonst wäre der Zweck der Strafe ein verfehlter." Auch Alkoholmissbrauch war damals ein Thema: Anfang des 20. Jahrhunderts machten sich die "Mitglieder des Bundes gegen den Missbrauch alkoholischer Getränke" über das Wort "Trinkgeld" echte Sorgen. Der Empfänger könnte durch den Ausdruck Trinkgeld zum Alkoholgenuss animiert werden, so ihre Befürchtung. Die Boten oder Kellner nähmen ein so genanntes Dankgeld sicher genauso gerne in Empfang wie das bisherige Trinkgeld." Am 2. Mai 1905 fand dann schließlich nach vielem Hin und Her die erste Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung der neuen Stadt Berncastel-Cues statt.

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