Auf diesen Mann hört die Weinwelt: Moselland-Vorstandschef Werner Kirchhoff verabschiedet

Bernkastel-Kues · Diesen Mann umgab 15 Jahre lang eine besondere Aura. Mit Werner Kirchhoff zu streiten gefiel nicht nur seiner Sekretärin. Der Quer- und Vorausdenker ist seit Freitag offiziell im Ruhestand. Die Weinwelt wird ihn vermissen.

Begrüßungen können nervig sein. Vor allem wenn quasi alle Anwesenden genannt werden - aus Angst jemanden zu vergessen. Bei der offiziellen Verabschiedung von Werner Kirchhoff sind viele Gäste anwesend, die in der Weinwirtschaft Rang und Namen haben. Explizit begrüßt wird auf Wunsch des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Moselland-Winzergenossenschaft niemand von ihnen vom Rednerpult aus.

Kirchhoff wünscht sich beim Stehempfang im Weintreff nicht viel Aufhebens. Er ist Pragmatiker, kein Schauspieler. Doch er wehrt sich nicht, als sein Nachfolger Holger Seibert ihn würdigt. Spätestens da wird auch dem klar, der den 68-Jährigen nicht so genau kennt, welche Aura ihn umgibt. "Er teilt Wissen, ungern die Macht", sagt Seibert und nennt einige Wesenszüge: ohne Allüren, impulsiv, scharfzüngig, sehr dominant, entscheidungsfreudig, mit viel sozialem Engagement.

Kurt Kranz, der Kirchhoff lange als ehrenamtlicher stellvertretender Vorstandschef begleitete, stellt gegenüber dem TV klar. "Kirchhoff wurde oft als harter Hund angesehen, aber jeder Mitarbeiter hat ihm am Herzen gelegen." Fachlich habe ihm keiner das Wasser reichen können. Kranz: "In Mainz ist kein Weingesetz verabschiedet worden, ohne ihn zu hören."

Erich Litty, damals Chef der Rietburg Weingenossenschaft, erinnert sich an die turbulenten Verhandlungen, als es 2004 um die Kooperation zwischen Pfalz und Mosel ging. Vom Ausverkauf der Pfalz sei die Rede gewesen, sogar Ministerpräsident Kurt Beck sei eingeschaltet worden. Heute gebe es viele Schulterklopfer. Eines der Markenzeichen von Werner Kirchhoff, der die Moselland von 1998 bis Ende 2014 leitete: "Er war den Entwicklungen oft voraus", sagt Aufsichtsratsvorsitzender Rudolf Loosen.

"Nun hat Werner Kirchhoff das letzte Wort - wie immer", leitet Henning Seibert zum Mann des Tages über. Der sagt gar nicht viel. Nur, dass er mit einem beklemmenden Gefühl aufgestanden sei, "weil heute der letzte Aufsatz geschrieben wird". Momentan fühle er sich noch wie im Urlaub, sagt der gebürtige Badenser, der seit 40 Jahren an der Mosel zuhause ist. Was er nun macht? "Ich überlege noch". In irgendwelchen Gremien werde er aber nicht mehr auftauchen.

Das wirklich letzte Wort hat Sekretärin Ursula Schimper. Sie ist fast so bekannt wie ihr ehemaliger Chef. "15 Jahre haben wir die Streitkultur sehr am Leben gehalten", sagt sie. "Aber solange die Kultur siegt, ist Streit nicht schlimm." Besser ist die Zeit, in der Kirchhoff die Genossenschaft leitete, nicht zu beschreiben.

Sein Nachfolger ist 56 Jahre alt. Der Pfälzer Henning Seibert hat Landwirtschaft studiert und arbeitete zuletzt 22 Jahre als Chefredakteur im Fachverlag Dr. Fraund (Mainz).

Extra Moselland: Das Unternehmen entstand 1969 aus dem Zusammenschluss regionaler Genossenschaften. Im Jahr 2000 öffnete es sich auch für andere Gebiete. Aktuell vermarktet die Moselland neben Weinen aus der Region auch Rebensäfte von der Nahe, aus der Pfalz, Rheinhessen und dem Rheingau. Ziel ist es dem Lebensmitteleinzelhandel, in den 95 Prozent der Produktion gehen, ein breites Angebot machen zu können. Die Genossenschaft hat rund 2060 Winzer mit einer Rebfläche von fast 2000 Hektar. Der Umsatz lag im Geschäftsjahr 2013/2014 bei 85 Millionen Euro. Die Moselland beschäftigt 195 Mitarbeiter. cb

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