Aus dem Reich der Mitte an die Mosel

KESTEN. Liu Gang aus Tian Jin in China hat ein Jahr im Weingut Ferres in Kesten verbracht. Während seines Praktikums hat der junge Mann die Winzerarbeit in Weinberg und Keller kennengelernt und kräftig mit angepackt. Im November fliegt er mit vielen neuen Eindrücken zurück in sein Heimatland.

Das dicke Universal-Wörterbuch Chinesisch-Deutsch liegt immer griffbereit. Doch nicht nur Liu Gang hat neue Wörter kennengelernt, auch Winzer Karl-Josef Ferres weiß dank seines Praktikanten nun, dass "Kiwi", die Frucht, die in seinem Garten gedeiht, auf perfekt chinesisch "Mi Hou Tao" und Hallo "Ni Hao" heißt. Dem 25-Jährigen aus Tian Jin, einer Großstadt am Meer, 100 Kilometer von Peking entfernt, ist das Arbeiten in Weinberg und Keller nicht schwer gefallen. Und die Verständigung geht auch ganz gut mit "Händen und Füßen". Seit November 2005 gehört der Chinese, dessen Eltern Gemüsebauern sind, zur Kestener Winzerfamilie. "Er ist für uns wie ein dritter Sohn", erklärt der zweifache Familienvater. Liu Gang hat in seiner Heimat ein Gartenbaustudium abgeschlossen. Seine Universität suchte für interessierte Absolventen über die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz nach Praktikumsplätzen. In der Winzer-Zeitschrift (DWZ) wurde dies bekanntgegeben, und Ferres meldete Interesse an. So kam der Mann aus dem "Reich der Mitte" an die Mosel und arbeitete fortan im Weinbau, mit dem er auch schon in seinem Heimatland in Berührung kam. "Für uns war das auch ein Experiment", so Ferres, der bisher nur Praktikanten für kürzere Zeit beschäftigte. Liu Gang, der kein Wort Deutsch sprach, hat viel abgeschaut und dabei gelernt - und das Wörterbuch gewälzt. Die Winzerarbeit macht ihm Spaß, und das Zapfen des Federweißen beherrscht er fast wie ein Fachmann. Zur vielfältigen Jahresarbeit des Winzers, die Liu Gang hautnah miterlebte, gehörten auch die Wein-Touren zu Kunden. So lernte der Praktikant auch Dresden und Berlin kennen. Ganz neue Erfahrungen und Erlebnisse bedeuteten für ihn die Feste: ob Silvester, Karneval, Hof- und Straßenfest oder auch die Silberhochzeit seiner Gasteltern. "Alles sehr schön", gibt er gerne zu. Auch die Kestener Kirche hat der Buddhist Gang des öfteren besucht. Erstaunt zeigt er sich über die "Fitness" der älteren Generation, die bei allen Veranstaltungen kräftig mitfeiert. "Bei uns in China bleiben ältere Menschen meist zu Hause". Eine chinesische Eigenart hat Liu auch hier an der Mosel beibehalten: in China wäscht der Mann seine Unterwäsche und Socken selbst. In der Küche hat der junge Mann "seine" deutsche Familie mit selbst zubereiteten chinesischen Frühungsrollen überrascht. Und was schmeckt ihm selbst hier am besten? "Wildschwein und süßer Wein", verrät er lachend. Aber wie war das doch mit der Vorliebe der Chinesen für Hund? Die teilt Liu Gang mit seinen Landsleuten nicht. "Unser Hund Sina und Liu haben sich geeinigt, sich nicht gegeseitig aufzuessen", schmunzelt Ferres dazu. Dann geht es wieder an die Arbeit, denn draußen warten die geernteten Trauben.

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