Bauernhof mit 96 Genossen

ENKIRCH. Dass ein landwirtschaftliches Unternehmen als Betriebsgenossenschaft geführt wird, ist heute eher selten. In Enkirch existiert ein solch ungewöhnliche Unternehmensform immer noch. Beteiligt sind 96 Genossenschaftsmitglieder.

 Ulrich Schneider zeigt stolz die gesunden, heranreifenden Ähren. Der genossenschaftliche Betrieb hat sich auf die Saatgutproduktion spezialisiert.Foto: Winfried Simon

Ulrich Schneider zeigt stolz die gesunden, heranreifenden Ähren. Der genossenschaftliche Betrieb hat sich auf die Saatgutproduktion spezialisiert.Foto: Winfried Simon

Ulrich Schneider begutachtet mit kritischem Blick die Weizenähren. "Ich bin sehr zufrieden", sagt er nach eingehender Prüfung stolz. Schneider ist Chef eines 200-Hektar-Betriebes in Enkirch. Die Flächen liegen zum größten Teil auf der Höhe Richtung Raversbeuren. Schneider darf sich zwar Chef nennen, aber nicht Besitzer. Eigentümer der Flächen sind 96 Enkircher Bürger und die Gemeinde. Sie sind in der landwirtschaftlichen Betriebsgenossenschaft Enkirch eG zusammengeschlossen - eine Unternehmensform, die wahrscheinlich in Rheinland-Pfalz einmalig ist. Bis vor wenigen Jahren existierten ähnliche Genossenschaften noch in Briedel und Pünderich, beide wurden aber inzwischen aufgelöst.Nach dem Krieg gegründet

Seit 1947 gibt es die Enkircher Genossenschaft. Damals, nach dem Krieg, lagen in Enkirch viele Ackerflächen brach, weil sie wegen des Mangels an Gespannvieh nicht bewirtschaftet werden konnten. Zweck der neuen Genossenschaft war es, das von den Mitgliedern eingebrachte Ackerland zusammenzulegen und gemeinsam zu bewirtschaften. Heute, 57 Jahre nach der Gründung, hat sich der Betrieb durch Zupachtung von 100 auf 200 Hektar vergrößert. Geschäftsführer Schneider, ein Mitarbeiter im Außendienst und Aushilfskräfte bewirtschaften das landwirtschaftliche Unternehmen. Einmal im Jahr wird zur Mitgliederversammlung eingeladen. Dann wird den Genossen die Bilanz vorgelegt und ihnen mitgeteilt, ob ein Gewinn verteilt werden kann oder ein Verlust gemacht wurde. Ulrich Schneider, seit 1987 Geschäftsführer, ist stolz darauf, dass er bislang fast immer schwarze Zahlen präsentieren konnte: zwar keine Riesengewinne, aber immerhin stets ein leichtes Plus. Und das ist in der heutigen Zeit, wo viele Bauern wegen sinkender Preise kaum noch über die Runden kommen, schon bemerkenswert. Gelungen ist das Schneider vor allem mit der Spezialisierung auf die Saatgutproduktion. Er kauft Basissaatgut auf, sät es aus und erntet es nach einem Jahr ab. Das Korn wird in Enkirch eingelagert, mittels Belüftung gesund erhalten, gereinigt und an Handelsunternehmen verkauft. Diese vertreiben es wiederum an die Bauern, die auf gutes Saatgut angewiesen sind. Begleitet wird der Anbau von ständigen Kontrollen. Experten der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Speyer testen die Körnerproben auf Reinheit und Keimfähigkeit. Nur wenn die strengen Normen erfüllt sind, gibt es das begehrte Zertifikat. Auch der Anbau untersteht der Kontrolle. Der Betrieb arbeitet umweltschonend nach den FUL-Richtlinien, das heißt vom Umpflügen bis zur Endverarbeitung ist alles vorgeschrieben und muss dokumentiert werden. Neben der Saatgutproduktion, hauptsächlich Triticale (Kreuzung Roggen x Weizen) und Sommergerste, werden Raps für die Ölgewinnung, Sommergerste für die Bierherstellung, sowie Dinkel und Roggen angebaut. Die Ortsgemeinde ist ebenfalls Mitglied der Genossenschaft. Sie profitiert von ihr letztlich auch dadurch, weil der Betrieb mit seinen großen Maschinen kostenlos kommunale Aufgaben übernimmt, wie Grünflächen und Feldwege mähen.

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