Beleidigungen an der Tagesordnung

WITTLICH. Sebastian Schuler, Schüler der 10 b des Peter-Wust-Gymnasiums und selbst Schiedsrichter für den SV Lüxem, bricht eine Lanze für die "Männer in Schwarz" und die Fairness im Sport.

Jeden Sonntag immer das Gleiche! Für eine Mannschaft, die sonntags auf dem Platz verliert, ist immer der Schiedsrichter der Sündenbock. Die Spieler versuchen, die eigenen Fehler anderen in die Schuhe zu schieben. Schiedsrichter werden von Spielern, Trainern und Fans für einen "vermeintlichen" Fehler massiv mit Beleidigungen angegriffen. Warum tun sich Schiedsrichter noch so was an?Zahl hat sich fast um die Hälfte reduziert

Die Fakten sprechen für sich. Die Zahl der Schiedsrichter im Spielkreis Mosel hat sich in den vergangenen Jahren fast um die Hälfte reduziert. Als ich als Aktiver mit dem Fußball spielen aufhörte, habe ich mich zum Schiedsrichter ausbilden lassen, weil ich so weiterhin sportliche Betätigung habe und dem Fußballsport verbunden bin. Die Aufgabe hat mich als jungen Menschen auch deshalb gereizt, weil man lernt, mit "Druck" umzugehen und an Durchsetzungsvermögen und Kritikfähigkeit gewinnt. Zusätzlich habe ich meinem Verein geholfen, das geforderte Soll an Schiedsrichtern zu erfüllen. Der Schiedsrichter genießt eine Machtfülle, die es im "normalen” Leben nicht gibt. Er ist Polizist, Staatsanwalt und Richter in einer Person. Als "Polizist” stellt er Vergehen (also Regelübertretungen) fest und bringt sie gewissermaßen zur Anzeige. Als "Staatsanwalt" erhebt er Anklage; als "Richter” spricht er das Urteil und vollzieht es auch sogleich. Die Spieler haben dabei keinerlei Möglichkeit der Verteidigung, zumindest nicht während des Spiels (was Spruchkammern hinterher entscheiden, ist eine andere Angelegenheit). Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich sind die Schiedsrichter genauso Sportler wie die Spieler. Sie machen Fehler wie Fußballspieler auch, schließlich ist niemand "Mr. Perfect". Er muss meist innerhalb einer Sekunde eine Situation beurteilen.Sport und kein Gerichtsverfahren

Er kann einen Vorfall weder in der Wiederholung noch in Zeitlupe oder in verschiedenen Perspektiven betrachten. In Sportsendungen werden die kritischen Situationen aber so gezeigt: in Zeitlupe, mehrfach hintereinander, aus verschiedenen Kameraperspektiven. Das ist ein eindeutiger Nachteil für den Schiedsrichter. Aber ein Fußballspiel ist schließlich Sport und kein Gerichtsverfahren und erst recht kein Krieg. Dennoch verleihen die Befugnisse dem Schiedsrichten bei Spielen eine herausragende Stellung. Er muss nicht nur sehr behutsam mit seiner Macht umgehen, sondern auch mit den zahlreichen daraus resultierenden Problemsituationen klar kommen. Als Schiedsrichter reagiert man grundsätzlich eigentlich nur auf Geschehnisse im Spiel und handelt nicht von sich aus. Geht der Ball ins Seitenaus, gibt es eben einen Einwurf; ein Foulspiel im Strafraum wird mit Strafstoß geahndet; ein grobes Foulspiel hat einen Feldverweis zur Folge. Dass die Spieler (aber auch die Trainer, die Verantwortlichen, die Zuschauer und auch die Medien) Situationen anders sehen und bewerten und nicht alles kommentarlos hinnehmen, was der Unparteiische entscheidet, ist jedoch logisch. Neben guten Regelkenntnissen und einer guten körperlichen Verfassung ist daher vor allem die Persönlichkeit des Schiedsrichters wichtig für die Spielleitung. Der Referee muss also auch geistig fit sein, mit Emotionen umgehen können, Fingerspitzengefühl zeigen, seine Spielräume kennen und Konfliktminimierung betreiben. Mir gefällt das Amt des Schiedsrichters - trotz des Drucks von außen - nach fast drei Jahren immer noch, weil ich körperlich, geistig und vor allen Dingen psychisch gefordert werde. Viele junge Schiedsrichter aber geben nach kurzer Zeit auf. Wenn die unsachliche Kritik und die Beleidigungen und Anfeindungen so weiter gehen, wird es irgendwann wohl kaum noch Schiedsrichter geben. Aber ohne Schiedsrichter gibt es keinen Spielbetrieb. Jeder Verein ist gehalten, eine gewisse Anzahl von Schiedsrichtern zu stellen. Wenn diese Zahl nicht eingehalten werden kann, führt dies für den Verein durch den Fußballverband zu hohen Geldbußen und gegebenenfalls im dritten Jahr zum Zwangsabstieg. Deshalb sollte Fairness im Sport auch den Schiedsrichtern gelten.

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