Beten gegen den Schmerz

WITTLICH. In dem Büchlein "Pfarrei und Pfarrkirche Sankt Markus Wittlich" von 1959 kann man nachlesen, dass zur reichen Ausstattung der Pfarrkirche eine barocke Holzfigur der heiligen Apollonia aus der Zeit um 1750 gehörte.

Die Figur stammt aus einem alten Heiligenhäuschen, das früher an der Himmeroder Straße stand. Den geschichtlich Interessierten liegen natürlich folgende Fragen auf der Zunge: Wo stand das Heiligenhäuschen, was ist aus ihm geworden und wie kommt die Figur in die Pfarrkirche? Eine alte Bauzeichung aus dem Jahr 1989 aus dem Besitz von Maria Beneur, geb. Marschall, hilft weiter. Ihr Vater Jacob und ihr Großvater Johann haben als Architekten die bauliche Entwicklung der Stadt wesentlich mitgeprägt. Nur Heiligenhäuschen und Tabakschuppen

Die Marschalls hatten vom Großvater Bruck, der Kreisbaumeister war, in der Himmeroder Straße, entlang des Sporgrabenweges, ein großes Grundstück, auf dem das Apollonia-Heiligenhäuschen aus dem Jahr 1764 stand. Sonst gab es in diesem Teil der Straße, die noch um 1900 "Staffelstein-Bernkasteler-Provinzialstraße" hieß, außer einem Tabakschuppen weiter nichts. Im Jahr 1909 entschlossen sich Vater und Sohn Marschall, das Grundstück mit einem stattlichen Wohnhaus und Architektenbüro zu bebauen. Das alte Heiligenhäuschen wurde abgerissen und ein neues Apollonia-Kapellchen in das neue Haus zur Straßenseite eingebaut. Der Eingang ist heute noch sichtbar. Der Abriss fiel den Marschalls offenbar deshalb nicht so schwer, weil das Kapellchen in keinem guten Zustand mehr war und die wertvolle barocke Holzfigur der heiligen Apollonia verschwunden war. Die Figur war offenbar gestohlen worden. Für die neue Hauskapelle wurde eine neue kleinere Figur beschafft, die noch heute im Besitz von Maria Beneur ist. Diese Hauskapelle war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 für die Öffentlichkeit zugänglich. Walburga Boor sagt: "Soo ham mia äm Kreech als Kenner immer drän gebät." Und Frau Beneur erzählt, dass besonders am Namenstag der Apollonia die Leute vor der Kapelle Schlange standen. "Aal die, die Zäänwih hatten", weil doch Apollonia die Schutzheilige der Zahnärzte war. Als zum Ende des Krieges die Nachricht kam, dass der älteste Sohn Walter am 9. Februar 1945, dem Namenstag der Apollonia, in Russland gefallen war, hat Vater Jacob Marshall die Kapelle mit Holzbrettern verschlossen. Die aus dem Heiligenhäuschen gestohlene Holzfigur der heiligen Apollonia fand der Elektromeister Willi Lay, der in der Himmeroder Straße ein Elektrogeschäft hatte, vor dem Zweiten Weltkrieg in der Lieser. Die Familie Lay übergab die ramponierte Figur der katholischen Pfarrgemeinde, die sie restaurieren ließ. Nun steht sie schon einige Jahre in der Pfarrkirche St. Markus in goldenem Gewand, in den Händen die Attribute ihres Martyriums: eine Zange mit einem Zahn und einen Palmenzweig. Wer Probleme mit seinen Zähnen hat, sollte vielleicht mal in der Kirche bei der Heiligen Apollonia vorbeischauen.

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