Brot ist nicht gleich Brot

LIESER. Wenn andere zur Arbeit gingen, war für Alfred Kinn der Broterwerb bereits beendet. 50 Jahre lang hat der Bäcker die Nacht zum Tag gemacht. Und er hat es nie bereut.

Als Alfred Kinn vor 50 Jahren in Trier das Bäckerhandwerk erlernte, gab es drei Sorten Brötchen: Spitzbrötchen, Losweck und Milchbrötchen. Beim Brot war die Auswahl noch kleiner: Mischbrot und Roggenbrot. Eine Besonderheit gab es dennoch. Die Bäckerei lag in der Nähe der französischen Garnison. "Wir haben bis zu 300 Flutes am Tag gebacken", erinnert sich Kinn. 50 Jahre später ist die Sortenvielfalt fast unübersehbar. Raimund Licht, seit 16 Jahren Arbeitgeber von Alfred Kinn, fällt es schwer, ein Zahlenwerk aufzumachen. Alfred Kinn, der vor wenigen Tagen in den Ruhestand gegangen ist, hat 32 Jahre in der Bäckerei Licht in Lieser gearbeitet, 16 Jahre bei Raimund Lichts Vater, weitere 16 Jahre beim Sohn. Natürlich hat sich in den Jahren viel geändert. Der Bäcker muss flexibel sein, muss Zeitabläufe genau einhalten, um die Sortenvielfalt zu gewährleisten. Natürlich hat sich auch die Technik geändert. Die Öfen sind besser geworden. Auch die Arbeitsbedingungen in der Backstube seien immer weiter verbessert worden, erzählt Kinn: "Früher war es viel wärmer." Auch tiefgefrorene Teiglinge erleichtern das Arbeiten. Fertigmischungen mag Kinn dagegen nicht. Geblieben ist natürlich das frühe Aufstehen. Samstagmorgens war für Kinn die Nacht oft schon kurz nach Mitternacht vorbei. Während der Woche ging für ihn das Licht in der Backstube zwischen 3 und 3.30 Uhr an. Wenn manch andere zur Arbeit gingen, um 9 Uhr, war für Kinn meist Feierabend. "Ich hatte damit keine Probleme. Man gewöhnt sich dran", erzählt er. Arbeit in Wechselschicht sei viel schlimmer. Brot ist für Kinn nicht gleich Brot. "Der Teig muss ruhen, man muss auch Zeit mitbringen", sagt er. Die vielen Auszeichnungen, die das durch seine Hände geformte Backwerk bekommen hat, geben davon beredtes Zeugnis.Ein Bäcker mit Leib und Seele

"Er ist ein Bäcker mit Leib und Seele. Er hat die Backstube im Griff gehabt", sagt Raimund Licht über den 64-Jährigen, der aus Monzel stammt und auch dort wohnt. So ein Bäcker bekommt auch nie genug von seinem Beruf. "Zuhause backe ich sonntags immer Kuchen", erzählt er. Die Familie sei ganz wild darauf. Die Zeit bei Raimund Licht wird er in bester Erinnerung behalten. "Er hat mir nie Vorschriften gemacht, hat nie gebrüllt", erzählt er. Und welches Brot isst der drahtige Mann selbst am liebsten? "Kürbiskernbrot, da ist alles drin", verrät er. Trotz aller Backleidenschaft freut er sich auf das Rentnerdasein. "Die Zeit ist eben da", sagt er gelassen.

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