Bürokratie des Todes

WITTLICH. Die Wanderausstellung "Verfolgung und Verwaltung" zur Enteignung und Rückerstattung jüdischen Vermögens in Rheinland Pfalz macht Station in der ehemaligen Synagoge.

Wittlich hat den Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus zum Anlass genommen, eine Ausstellung in die ehemaligen Synagoge zu bringen, die dem Betrachter die bürokratischen Voraussetzungen erhellt, die den Vernichtungsfeldzug gegen die Juden erst ermöglichte. Kulturamtsleiter Justinus Maria Calleen zitiert in Bezug auf die Ausstellung ein hoffnungsvolles jüdisches Sprichwort: "Mit der Erinnerung beginnt die Versöhnung." Wie Walter Rummel vom Landeshauptarchiv Koblenz, der die Wanderausstellung mit erstellte, erklärt, verdeutlicht die Ausstellung auch, wie die sprachliche Etikettierung in der Verwaltungsarbeit damals behilflich war: Aus der Deportation ins Vernichtungslager wird eine "Umsiedlung", aus der Enteignung eine "Sühneleistung" oder "Umverteilung". Manche Vollstrecker der geltenden Gesetze trieben ihre Buchstabentreue bis zum Äußersten. Rummel berichtet von einem Bürgermeister in Neumagen-Dhron, der einer Jüdin unmittelbar vor dem Besteigen des Deportationszuges die 20 Reichsmark abnahm, die sie rechtswidrigerweise bei sich trug. Eine besonderes Detail, das weitgehend unbekannt sein dürfte: Im Bahnhof musste jeder einzelne enteignete Jude persönlich quittieren, dass er nun enteignet war. Juden wurden ihre Häuser, ihre Wohnungen, ihr Mobiliar abgenommen, alles penibel auf Akten verzeichnet, die nun die Grundlage der Ausstellung bilden. Auch die Rückführung des ehemaligen Eigentums nach 1945 an die wenigen, die den Holocaust überlebt hatten, gestaltete sich umständlich. Es waren oft dieselben Beamten, die zuvor gesetzeskonform enteignet hatten, die später die gesetzeskonforme Rückerstattung abwickelten. Rummel nennt einen Hermeskeiler Juden, der nach 1945 über das Arbeitsamt die Möbelpacker ermittelte, die die Möbel seiner Familie verschleppt hatten. Von ihnen erfuhr er, wo die Schränke nun steckten. Anhand von Geheimfächern, die nur er kennen konnte, und in denen sich Fotos der ermordeten Eltern fanden, wies er die Stücke als sein rechtmäßiges Eigentum aus. Er konnte die Möbel mitnehmen, musste jedoch bis zur bürokratischen Anerkennung dafür eine Miete entrichten. Die Ausstellung bleibt bis 6. Juni in Wittlich.

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