Das Christkind klingelt an jeder Tür

WITTLICH. Insgesamt wird Pater Sijoy sechs Monate lang in Wittlich bleiben. Der Karmeliter aus Indien, der seit Mitte November in der Säubrennerstadt ist, erlebte in diesem Jahr eine ganz andere Adventszeit als zu Hause.

Wittlich ist nur eine Station im Leben von Pater Sijoy. Nach seinem Gemeindepraktikum, das er an der Seite von Dechant Rudolf Halffmann absolviert, wird er noch viele Jahre in Deutschland verbringen. Hier sind Priester knapp; der Pater vom Karmeliterorden wird gebraucht. "Wir sind Missionare", sagt der Mann im braunen Ornat. Dass er einmal weggeht von zu Hause, darauf sei er eingestellt gewesen. Pater Sijoy Peter Thevarakattu stammt zwar aus Indien, aus einer Provinz im Südwesten, in der die Hindus nur rund 50 Prozent der Bevölkerung stellen (im Landesschnitt sind es 80 Prozent). Sijoys Familie gehört aber zu den 22 Prozent Christen in Kerela: Schon im Jahre 52 nach Christus hatte der Apostel Thomas das Christentum dorthin gebracht. Sijoy, jüngster von neun Geschwistern, hatte bereits als Kind den Wunsch, Priester zu werden.Sein Großvater bestärkte ihn darin. "Ich glaube, ich war so etwas wie sein Lieblingsenkel." Doch auch die anderen Familienmitglieder, die meist wie die Eltern in der Landwirtschaft blieben, haben ihn später tatkräftig unterstützt, erzählt Sijoy, dessen Deutsch nach mehreren Sprachkursen in Köln, Bonn und Springiersbach bereits recht gut ist. Das ist auch wichtig für ihn: Seine Muttersprache Malayalam versteht hier niemand. Anders als in anderen Gegenden Indiens leben in Kerela Anhänger verschiedenster Religionen friedlich zusammen. Die Kinder, auch die Mädchen, besuchen eine Schule, und die allermeisten haben sogar eine Ausbildung. Der 1976 geborene Sijoy stieg nach zehn Schuljahren ins Priesterseminar ein. Mit 17 folgte das Noviziat, bevor er 1996 sein Gelübde ablegte. Zu den Karmelitern ging er wegen seiner schon immer guten Beziehung zur Gottesmutter. Es ist Maria vom Berge Karmel, zu der er täglich betet, wie die Ordensbrüder im Kloster Springiersbach. Während hier die Klöster aussterben, kennen sie in Indien keine Nachwuchsprobleme. Als etwas kühl und distanziert empfand Pater Sijoy die Deutschen zunächst. Und dann die Familie: Die spiele in Kerela eine sehr viel größere Rolle, sagt der Mann mit den 15 Nichten und Neffen. In Wittlich fühlt er sich dennoch wohl. Hier kennt man sich, man kümmert sich, man stellt ihm Fragen. Das ist ihm äußerst angenehm. Diese, nennen wir sie wohltuende Neugier, kennt er von zu Hause. Sie sei ein Zeichen dafür, dass das Interesse aneinander bestehe. Die gesamte Gemeinde, besonders aber Rudolf Halffmann profitiert vom Austausch der Kulturen. Auch auf kulinarische Weise übrigens, sagt er augenzwinkernd. Wer noch ein Stück Indien kennen lernen möchte: Sijoy wird demnächst eine Messe nach indischem, genauer gesagt, nach dem syro-malabarischen Ritus zelebrieren.Kaum Zeit zum Durchatmen

An Vieles muss Sijoy sich erst gewöhnen. Das hiesige Gehetztsein der Menschen in der Adventszeit zum Beispiel: "Bei uns ist die Advents- eine Fastenzeit", erzählt er. Die meisten gehen täglich zur Kirche, auch die Kinder vor dem Schulunterricht, der allerdings erst um 10 Uhr beginnt. Nach der Christmesse um Mitternacht teilen alle Gemeindemitglieder den Weihnachtskuchen. Geschenke gibt es keine, man wünscht sich lediglich auf Karten ein frohes Fest - und zieht am 25. Dezember mit dem familieneigenen Christkind durch alle Häuser. Ob Christ, ob Hindu oder Buddhist: Überall wird geklingelt und für die Leute gebetet und gesungen. Diesmal betet und singt Pater Sijoy an der Seite des Dechants. Zwei Messen und einen Gottesdienst haben die beiden heute zu bewältigen. Die Kirchen werden voll sein. Zwischendurch flitzen sie nach Plein: Das Heiligabend-Programm von Priestern in Deutschland lässt wenig Zeit zum Durchatmen.

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