"Das ist nicht der Islam"

WITTLICH. Brennende Botschaften, europäische Flaggen in Flammen, Angriffe auf Hilfsorganisationen: Vertreter der Muslime im Kreis Bernkastel-Wittlich verurteilen die Gewalt-Reaktionen, die die Mohammed-Karikaturen einer dänischen Zeitung weltweit ausgelöst haben. Aber auch sie fühlen sich in ihrem Glauben verletzt.

"Nee, dazu sag ich nix", gibt ein Türke in der Wittlicher Fußgängerzone, angesprochen auf die Mohammed-Karikaturen (der TV berichtete mehrfach), kurz und knapp zu Protokoll. "Und meine Frau auch nicht", schiebt er gleich hinterher. Ähnlich kurz angebunden äußern sich drei weitere Türken, ohne dabei den Eindruck zu vermitteln, dass ihnen etwa das ganze Thema egal sei. Im Gegenteil. "Stellen Sie sich mal vor, der Papst würde so dargestellt werden. Und der ist, anders als Mohammed und Jesus, kein Prophet", sagt Yilmaz Yildiz, Vorsitzender des Wittlicher Vereins "Türkisch-Islamische Union". Er habe im Internet eine der Karikaturen gesehen, die Mohammed als Kopf einer Bombe wie einen Selbstmordattentäter darstellen. Auch seine religiösen Gefühle seien dadurch tief verletzt worden. Er verurteilt die dänische Zeitung, die zu dem Karikaturen-Wettbewerb aufgerufen hat und die Zeichnungen gedruckt hat. "Medienfreiheit kann doch nicht dazu benutzt werden, Religion zu beschmutzen", sagt Yildiz. Das sei eine bewusste Provokation gewesen. "Die Karikaturen waren für alle, die ohnehin fürchten, der Westen wolle ihre Religion, ihre Kultur und alles, was ihnen lieb und teuer ist, platt machen, wie Benzin ins Feuer", findet auch Tahir Zafar, Vorsitzender der Wittlicher Glaubensgemeinschaft "Ahmdiyya Muslim Jamaat". Meinungsfreiheit dürfe kein Freibrief sein, religiöse Gefühle zu verletzen. Die Zeitung hätte mehr Fingerspitzengefühl beweisen müssen. Oder wie Yildiz es ausdrückt: "Man darf eine eingeklemmte Katze nicht weiter einkreisen." Dass TV-Chefredakteur Walter W. Weber sich bewusst dagegen entschieden hat, die Karikaturen abzudrucken, werten Yildiz und Zafar als "richtiges Signal". Denn nur wenn in einer multikulturellen Gesellschaft alle bereit seien, aufeinander Rücksicht zu nehmen, sei ein friedliches Miteinander möglich, betonen die beiden Vertreter Wittlicher Muslime. "Doch weitaus schlimmer als die Karikaturen waren die gewalttätigen Reaktionen darauf", urteilt Zafar, der selbst aus Pakistan vertrieben wurde und Gewalt kennen gelernt hat. Die in ihrem Glauben verletzten Muslime könnten friedlich protestieren oder in Leserbriefen an die dänische Zeitung ihren Standpunkt deutlich machen. Das Gegenteil von Mohammeds Willen

"Aber Gewalt ist kein islamischer Wille", sagt Zafar, dessen Glaubensgemeinschaft nach dem Motto "Liebe für alle - Hass für keinen" handelt. Mohammed habe gepredigt, dass Moslems, die ein brennendes Hindu-Haus sehen und nicht als Erste versuchen zu löschen, nicht von seiner Gemeinde seien. "Hätte Mohammed die Karikaturen gesehen, er hätte gelacht - oder sie ignoriert", sagt Zafar und ergänzt: "Mir tun die brennenden Botschaften weh. Das ist kein Islam, das ist Politik." Auch Yildiz verurteilt die gewalttätigen Reaktionen wie die Anschläge auf Botschaften und Hilfsorganisationen oder das Anzünden europäischer Flaggen, die "das ganze Volk und seine Ehre" symbolisieren. "Wir sind für die Proteste, aber gegen Gewalt", sagt Yildiz und hebt hervor, dass Muslime bei einer vergleichbaren Darstellung von Jesus Christus ebenfalls protestiert hätten. So habe auch der Kino-Film "Passion of Christi" des Regisseurs Mel Gibson in der Türkei wegen der extremen Leidens-Darstellung große Diskussionen ausgelöst. Er hätte sich gewünscht, dass der dänische Ministerpräsident sich bei allen Muslimen entschuldigt hätte: "Dann wäre der ganze Protest nie so eskaliert." Er selbst habe als Vertreter der "Türkisch-Islamischen Union" eine Mail an die dänische Zeitung gerichtet. In Wittlich werde es auf jeden Fall keine Protest-Aktion geben. Der türkische Ministerpräsident hätte geraten, nicht auf die Provokation zu reagieren. "Vergeben und verzeihen", hält auch Zafar für die beste Lösung.

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