"Das können die doch nicht machen"

Zeltingen-Rachtig · Das Thema bewegt Zeltingen-Rachtig seit Monaten: Müssen die treuen Dauercamper den Campingplatz tatsächlich räumen, damit ein reiner Wohnmobilstellplatz entstehen kann?` Der Ortsgemeinderat findet ja.

Zeltingen-Rachtig. Es ist 17.45 Uhr am Montagabend als Barbara Sonnek zum ersten Mal den Kopf schüttelt. Sie sagt: "Ich kann und will das einfach nicht glauben. Wenn das wirklich so kommen sollte, wäre es ein echter Schock für uns." Dann schaut sie zu ihrem Mann Marian. Er scheint geschockt: "Wir kommen seit 15 Jahren aus Eschborn hier an die Mosel und jetzt so etwas. Das ist unfassbar."
Abschied für 28 Camper


Marian und Barbara Sonnek sind Camper, genauer gesagt Dauercamper. Und mit "so etwas" meinen sie die Pläne des Ortsgemeinderates Zeltingen-Rachtig. Das Gremium hat im April beschlossen, den Campingplatz am Zeltinger Moselufer in einen reinen Wohnmobilstellplatz umzuwandeln (siehe Extra). Für die Sonneks und die anderen 27 Dauercamper hieße das: Abschied aus Zeltingen. Aus diesem Grund regte sich in den vergangenen Wochen erheblicher Widerstand im Ort: Camper, Zeltinger Geschäftsleute und der Campingplatzpächter setzten einen Brief auf und sammelten Unterschriften, um den Platz in seiner jetzigen Form zu erhalten (der TV berichtete).
Nun trifft sich der Rat, um erneut über die Pläne zu beraten. Neben den Sonneks aus Hessen sind zahlreiche weitere Dauercamper erschienen. Auch Campingplatzpächter Arthur Heppert ist gekommen. "Natürlich haben wir noch Hoffnung", betont der 75-Jährige vor Sitzungsbeginn. "Die können so etwas doch nicht einfach machen."
Doch, das können sie - das jedenfalls zeigt sich während der knapp 45-minütigen Sitzung schnell. Denn außer der Fraktion der Freien Wähler spricht sich der Rat geschlossen für die Umwandlung in einen reinen Wohnmobilstellplatz aus. Die Begründung dazu liefert Ortsbürgermeister Manfred Kappes: "In Sachen Campingplatz muss die Gemeinde rein wirtschaftlich denken, da sind wir ein betriebswirtschaftliches Unternehmen." Die Anlage sei für Zeltingen-Rachtig in den vergangenen Jahren ein reines Nullsummenspiel gewesen. "Wir haben 1,9 Millionen Euro Schulden. Durch die Umgestaltung in einen reinen Wohnmobilstellplatz erhoffen wir uns, mehr einnehmen zu können." In anderen Gemeinden in der Umgebung würden solche Anlagen Gewinne erzielen, berichtet Kappes. Exakte Zahlen legt er allerdings nicht vor.
Genau das stört Hans-Peter Ehses. Er ist Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler und strikt gegen die Pläne des Rates. Er sagt: "Mir fehlt die genaue Kalkulation. Es wird behauptet, dass die Gemeinde durch den Stellplatz Mehreinnahmen erhalten wird, aber das ist nicht belegt."
Hans-Peter Ehses sieht gar negative Konsequenzen für die Gemeinde. Er befürchtet ein "Minusgeschäft". "Da es zukünftig keinen Pächter mehr geben wird, fallen der Gemeinde die Pachteinnahmen weg. Zusätzlich entstehen Mehrkosten, weil die Kommune für die Mährarbeiten, die bisher der Pächter erledigt hat, selber aufkommen muss, und auch für das Abkassieren der Camper muss die Gemeinde einen Mitarbeiter beauftragen."
Aussichtsreiche Mehreinnahmen könne er daher nicht erkennen. Dennoch ist die Tendenz im Rat klar. Bei der nächsten Sitzung Ende Oktober sollen die Pläne für die Umwandlung endgültig beschlossen werden. Für Barbara Sonnek ist das Ergebnis der Ratssitzung ernüchternd. "Wir sind maßlos enttäuscht", sagt sie nach der Sitzung. Sie und ihr Mann werden sich nun einen anderen Campingplatz suchen müssen, "und das nach 15 Jahren."
Meinung

Alles ziemlich neblig
Die Entwicklungen rund um den Campingplatz in Zeltingen-Rachtig erinnern stark an die Kapelle auf der Titanic. Sie kennen die Geschichte sicherlich - es geht um diese eifrigen Musiker, die immer weiter in ihre Trompeten blasen und auf ihre Trommeln schlagen, obwohl der Kapitän den Dampfer bereits gegen den Eisberg gesetzt hat und der Untergang nur eine Frage der Zeit ist. Aber die Jungs spielen weiter als gäb\'s kein Morgen. In Zeltingen-Rachtig gibt es zwar keinen Eisberg auf der Mosel und auch keinen überdimensionalen Dampfer. Doch die Gemeinderatsmitglieder und Ortsbürgermeister Manfred Kappes spielen weiter ihre Lieder und halten an ihren Plänen zur Umgestaltung des Campingplatzes fest, während sie sich damit in äußerst nebliges Gebiet begeben. Denn ob die Gemeinde tatsächlich Mehreinnahmen durch den Wohnmobilstellplatz generieren kann, ist äußerst fraglich - dagegen sprechen drei Punkte: Erstens gibt es bereits zu viele Plätze für Wohnmobile in der nahen Umgebung, fraglich ob da genügend Camper nach Zeltingen kommen. Zweitens ist der Platz zu abschüssig und bei Regen zu matschig für Wohnmobile, und drittens zeigen die Zahlen aus den vergangenen Monaten, dass ohnehin nur verhältnismäßig wenige Wohnmobile den Platz nutzen. Wieso sollten nun plötzlich mehr kommen, wenn es nicht mal Sanitäranlagen gibt? Doch all dies scheint die Ratsmitglieder und Ortsbürgermeister Kappes nicht zu interessieren: sie spielen weiter ihre Lieder, genau wie die Kapelle damals auf der Titanic. m.fritzen@volksfreund.deExtra

Der Ortsgemeinderat Zeltingen-Rachtig hat im April beschlossen, dass der Campingplatz am Zeltinger Moselufer, der bisher sowohl von Wohnwagen-, Zelt- und Wohnmobilcampern genutzt wird, ab dem kommenden Frühjahr nur noch Wohnmobilen zur Verfügung stehen soll. Immer wieder hatte es Beschwerden wegen den veralteten Sanitäranlagen auf dem Platz gegeben. Die Dauercamper erklärten sich bereit, neue Sanitäranlagen mitzufinanzieren. Doch die Gemeinde lehnte das ab. Der zukünftige Wohnmobilstellplatz wird keine Duschen und Toiletten haben. Die alte Sanitäranlage wird nicht mehr genutzt werden. mfr

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