Das pralle Mittelalter

MANDERSCHEID. Wenn Kinder zu Rittern werden, Ritter um die Hand der Gräfin kämpfen und der Stadtrat Getränkebons verkauft, dann ist wieder Manderscheider Burgenfest. Tausende aus Nah und Fern kamen am Wochenende zu dem Ereignis.

"Seid ihr bereit?" Ganz ernsthaft stellt Oliver May, ein junger Mann mit Lederkäppi und einer Art Schottenrock, dem kleinen Mädchen mit dem Steckenpferd zwischen den Beinen und dem Holzschwert in der Hand diese Frage. Auf ein Nicken hin bläst er das Signal mit der Trompete, und die Kleine, die ihre Utensilien kaum packt, reitet los. Auf dem schwierigen Parcours ersticht sie das Holzschwein, und May ruft voller Elan: "Die Sau ist...", das zuschauende Volk brüllt: "toooot!". Doch nicht genug der Gefahren. Die kleine Ritterin passiert den reißenden Fluss (ein blaues Brett) und überquert die gefährliche Todeswippe (ein Brett, das auf einem Rundholz liegt). "Jubelt Volk!" fordert May. Handgeklapper. Die Prozedur, das Kinderritterturnier, wiederholt sich etwa 1000 Mal auf dem Pallas der Niederburg an diesem Wochenende. Es ist Burgenfest. Das pralle Mittelalter lebt auf der alt ehrwürdigen Ruine auf. Tausende Menschen (die Touristinfo schätzt bis zu 18 000) strömen zu dem Ereignis, an dem ganz Manderscheid beteiligt ist. Der Stadtrat verkauft Getränkebons, die Vereine kümmern sich um Kuchen, Waffeln oder Gerstensaft. Viele Besucher kommen gewandet, was nebenbei auch Taler spart, und so sind jede Mange kleine und große Ritter, Burgfräuleins und Mönche unterwegs. Das Programm, das ihnen geboten wird, ist überwältigend. Auf der Turnierwiese wird wild gekämpft. Die Böhmische Fechtgruppe Vawra zeigt Schwertkampf mit viel Gebrüll und Klingenklirren. Etwas tiefsinniger geht es beim Turnier "Der Falkenprinz" zu. Bei der Geschichte, die sich um Liebe, Neid und Missgunst dreht, wird nicht nur gekämpft, sondern auch getanzt. Ein Falke, der auf Kommando ins Publikum und zurück fliegt, spielt zudem eine wichtige Rolle. Bei dem Stück arbeiten die "Löwenritter", eine Truppe "nebenberuflicher Ritter", die reitet und kämpft, mit der Hortus-Falknerei zusammen. Die Falknerei aus der Nähe von Kiel besteht aus hauptberuflichen Falknern, die oft bei Festen unterwegs sind, aber auch fürs Fernsehen arbeiten. Am Abend wird es besonders stimmungsvoll auf der Turnierwiese. Im Fackelschein kämpfen fünf Löwenritter um die Hand einer der beiden Schwestern aus dem Manderscheider Grafengeschlecht. Bei so viel Männer-Heldentum sorgt die mit-kämpfende Burgfrau Susanne von Manderscheid für erfrischenden Wind. Witzig wird es mit dem betrunkenen Ritter Otto von Schafenberg, der aus Mitleid mit der Sau, die er eigentlich erstechen soll, weint. Doch das Burgenfest hat nicht nur Turniere zu bieten. Allerlei Musikgruppen sorgen für schöne Stimmung, Minnegesang und dafür, dass Besucher plötzlich zum Tanz aufgefordert werden. Gaukler bringen die Zuschauer mit ihren zum Teil derben Späßen zum Lachen. Der Feuergeist jongliert mit brennenden Fackeln. Die Hexe Roxana erregt Aufsehen mit ihrer riesigen, lebendigen Schlange. Die Auswahl fällt schwer auf dem Handwerkermarkt, bei dem Rosenlikör ("Wirkt wie Viagra für Frauen.") genauso angeboten wird wie Filzschmuck und -schuhe, Ledertaschen und jede Menge Ritterzeug vom Holzschwert bis zum Metallhelm. Das Brillantfeuerwerk am Samstagabend hält, was es verspricht: Die Lichtfontänen in Rot, Blau und Gold über der Burg sind das Tüpfelchen auf dem i dieses stimmungsvollen Ereignisses. Und nun? Nun heißt es warten - warten bis zum nächsten Burgenfest am letzten Augustwochenende 2006.

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