Den Deutschen heute noch dankbar

TRABEN-TRARBACH. Ein großes Plakat in italienischer Sprache hängt im Keller von Berthold Dölle. Am 27. August 2003 lud es im sizilianischen Belpasso zur Vorstellung eines Buches ein, in dem die 60 Jahre zurückliegenden Kriegshandlungen im Städtchen nahe des Ätnas geschildert werden. Der 82-Jährige Traben-Trarbacher Dölle half als Zeitzeuge dem aus Belpasso stammenden Autor Lorenzo Maugeri bei der historischen Aufarbeitung.

 Dieses Plakat lud im August 2003 in Belpasso zur Vorstellung des Buches über die Ereignisse vom August 1943 ein. Berthold Dölle hat den Autor Lorenzo Maugeri bei seiner Arbeit unterstützt und stand den interessierten Bürgern damals drei Stunden lang Rede und Antwort. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Dieses Plakat lud im August 2003 in Belpasso zur Vorstellung des Buches über die Ereignisse vom August 1943 ein. Berthold Dölle hat den Autor Lorenzo Maugeri bei seiner Arbeit unterstützt und stand den interessierten Bürgern damals drei Stunden lang Rede und Antwort. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

18 Jahre jung ist Berthold Dölle, als er mitten im Kriegsgeschehen steckt. Der gebürtige Thüringer kommt im Dezember 1942 aus Russland zurück. Seine Hoffnung, den Heiligen Abend mit der Familie in Witterda bei Erfurt feiern zu können, erfüllt sich nicht. Erst am 27. Dezember ist er wieder zu Hause. Im Januar 1943 nimmt er an einer Schulung für den zwei Jahre zuvor entwickelten Kampfpanzer "Tiger" teil. Als "Feuerwehr vor allen Fronten" wird diese legendäre Waffe in der Literatur beschrieben. Im April trifft Dölle als Panzer-Ladeschütze auf Sizilien ein, von wo es weiter nach Afrika gehen soll. Doch Anfang Mai bricht die deutsch-italienische Front in Tunesien bereits zusammen. Nach 18 Monaten Krieg 16 Tage Heimaturlaub

Nach 18 Monaten als Soldat freut sich der junge Berthold im Juni 1943 über 16 Tage Heimaturlaub, die er in Thüringen verlebt. Im Juli hört er im Radio, dass die Alliierten auf Sizilien gelandet sind und genau dorthin führt ihn wieder sein Einsatz. "Die Engländer näherten sich Belpasso damals von Süden, wir kamen mit den Panzern von Westen", erinnert sich Dölle. Nur eine Straße, die Via Roma, führt durch das Städtchen, und die Engländer müssen sie passieren, weil sie nach Messina wollen. Hier die Engländer, dort die deutschen Panzer, schwere Kampfhandlungen in Belpasso sind programmiert. Als ein junger deutscher Leutnant seinen Panzer verlässt, explodiert vor seinen Füßen eine englische Handgranate und verletzt ihn. Ein Tiger-Panzer mit Kommandant Franz Kruse befindet sich mitten in der Via Roma, als er mit einem Getriebeschaden liegenbleibt. "Um an das Getriebe zu kommen, hätte der 21 Tonnen schwere Panzerturm abgebaut werden müssen, und das war unmöglich", sagt Dölle. So wird das Kampfgerät aufgegeben und gesprengt, und die deutsche Panzer-Einheit zieht sich zurück. Die Straße ist nun frei für die Richtung Messina weiterziehenden Engländer, und Belpasso bleibt von schweren Kämpfen und Zerstörung verschont. "Die Stadt ist heil geblieben, die Mutter Gottes hat unsere Gebete erhört", sagen die Bewohner im August 1943. Den Deutschen sind sie dankbar, dass sie sich zurückgezogen hatten. 50 Jahre später bringen sie an der Kirche eine Gedenktafel mit einem Marienbild und Panzerketten an, und bis heute begehen die Bürger den 6. August als Feiertag. Defekter Panzer brachte das gute Ende

Lorenzo Maugeri war 15 Jahre alt, als seine Heimatstadt so glimpflich davonkam. Zu DDR-Zeiten arbeitete er in Ost-Berlin als Korrespondent für eine italienische Zeitung, und er wollte ein Buch über die Ereignisse des 6. August 1943 schreiben. Es gelang ihm, den in Traben-Trarbach ansässigen Berthold Dölle ausfindig zu machen und als Zeitzeugen zu befragen. Im August 2003 folgte der Traben-Trarbacher einer Einladung nach Sizilien. "Ich wusste, dass Maugeri das Buch fertig hat, aber nicht, dass es in Belpasso vorgestellt wird". So staunte er, dass sich mehr als 200 Leute versammelt hatten, als Maugeri sein 125 Seiten umfassendes Buch über den Tiger-Panzer in Belpasso präsentierte. Viele Fragen zu den Ereignissen in ihrem Städtchen hatten die Menschen auch an Berthold Dölle, und drei Stunden lang stand er ihnen Rede und Antwort. Einem defekten Panzer und der sich daraufhin zurückziehenden deutschen Einheit verdanken sie, dass ihre Stadt den Zweiten Weltkrieg unversehrt überstand.

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