Der Abschied der Geschichtenerzähler

BERNKASTEL-KUES/WITTLICH. Vor fünf Jahren bildete sich der Erzählkreis "Erlebte Geschichte". Seine Mitglieder kamen regelmäßig im Kreisarchiv Wittlich zusammen und berichteten aus ihrem Leben. Zum vorerst letzten Mal traf sich nun der Kreis in der Akademie Kues und ließ seine gemeinsamen Erzählstunden Revue passieren.

Der Kaffetisch in der Akademie war gedeckt. Die zehn Stamm-Mitglieder hatten noch einmal kleine Geschichten und Anekdoten mitgebracht und gaben sie zur gegenseitigen Erheiterung zum Besten. Einer fing an, und schon war die Runde mittendrin in den amüsanten, persönlichen Geschichten um einen misslungenen Käsekuchen, den ersten Alleingang einer Fünfjährigen in die Stadt, einer Pralinen-Überschwemmung, von Wingerts- und Handwerksarbeit und vielem mehr. Nur zu schnell waren die Stunden vergangen. Und so war es die vergangenen fünf Jahre immer, erinnert sich die Initiatorin und Leiterin des Erzählkreises, Claudia Schmitt, in ihren Dankesworten. Trotz ihres Alters steckte die Gruppe stets voller Dynamik. Premiere hatte der Erzähkreis im Kreisarchiv in Wittlich gefeiert. Damals saßen sich fremde Menschen gegenüber, aber "die hatten schon Pläne im Kopf, sich schon Gedanken über ihre Geschichten gemacht, über die sie sich mit den anderen Teilnehmern austauschen wollten. Sie alle sind als Kinder in einer Umgebung aufgewachsen, die sich mit der heutigen Zeit kaum vergleichen lässt. Keine andere Generation hat und wird einen solch rasanten Wandel in Technik, Gesellschaft, Familien- und Berufsleben, im Alltag oder der Freizeit wieder erleben", erzählt Schmitt. Zu Anfang war es den Frauen und Männern im Alter zwischen 70 und 90 Jahren wichtig und ein Bedürfnis, offen über ihre Kindheit und Jugend, die sie während Kriegszeiten erlebten, zu berichten. So steckten die ersten gemeinsamen Stunden voller Emotionen. "Es waren tiefbewegende, gemeinsame Momente in der Runde", erinnert sich Schmitt. Durch die Erzählungen über die Kriegszeiten tauchten die Mitglieder aber oftmals in die Zeiten davor und danach ein. So vergingen die spannenden Erzähl-Nachmittage wie im Flug. Vor zwei Jahren entstand die Idee, die Erinnerungen und Lebensgeschichten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in dem Erzählkreis-Buch "Als wir jung waren" zusammenzufassen (der TV berichtete) - zwei Jahre, bevor die große Erzähl- und Erinnerungswelle anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes in den Medien hereinbrach. Wichtig sei es, diese erlebten Geschichten nicht nur als Lektüre für selbst Betroffene, sondern gerade auch für die nachkommende Generation zu erhalten, nennt Schmitt eine Intention des Buchs. Die Resonanz auf die gebundenen Erzählungen war groß: Mehr als 350 Mal wurden sie verkauft. Die Themen des Erzählkreises aber haben sich ständig erweitert, vielfältige amüsante und spannende Erinnerungen holten die Teilnehmer nach und nach aus ihrem Leben hervor. "Wir haben viel miteinander gelacht, unser Miteinander war schön", darin sind sich alle einig. Schmitt dankte allen Teilnehmern und auch Akademieleiterin Theresa Spies für die Zusammenarbeit. "Die Zeit wurd´ uns nie lang, auch wir sagen Dank....", sagte der Erzählkreis Adieu. Jetzt will die Runde erst einmal eine Pause einlegen, "aber vielleicht fangen wir ja wieder an", schloss der harte Kern ein erneutes Zusammenkommen nicht aus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort