Der Bach, die Stille...

BREITWIESE/TRITTENHEIM. (urs) Nur noch wenige wissen von dem harten Leben der "Breitwieser" Müller, in deren Häusern sich heute junge Familien wohl fühlen.

Der "Breitwiese" stehen unruhige Monate bevor. Denn am 26. Juni jährt sich der Geburtstag des Schriftstellers Stefan Andres zum 100. Mal. Der Sohn eines Breitwieser Müllers, 1970 in Rom gestorben, ist dank Werken wie "Der Knabe im Brunnen" oder "Die unsichtbare Mauer" unvergessen. Die heutigen Breitwieser leben damit tagtäglich. Machen doch viele einen Abstecher in dieses Tal der "Kleinen Dhron" mit dem benachbarten "Dhrönchen". Dort, zwischen Mosel und Hunsrück, hatte vor bald 100 Jahren der Bau der Dhrontalsperre das Ende der Ära der Dhrontal-Müller eingeläutet. Dass deren Leben kein einfaches war, weiß Irmina Nilles aus erster Hand. Die 84-Jährige, durch Einheirat in die Felsenmühle erste Nachbarin der Breitwieser, erlebte diese Zeit zwar nicht mehr selbst. Doch für ihren ersten Mann, einen Andres, waren die Ereignisse noch sehr lebendig. Und noch mehr für dessen Onkel, das "Fichtelkläschen" aus der "unsichtbaren Mauer". Der klumpfüßige Mann, den Stefan Andres oft besuchte, war der früh verwitweten Irmina eine Stütze. "Er war ein sehr guter Mann - er hat gemacht, was er konnte", würdigt sie dessen Hilfe in Haus und Hof und bei der Kindererziehung. Denn Arbeit habe es genug gegeben in der Landwirtwirtschaft und den Weinbergen. Hinzu kamen die Erschwernisse des abgeschiedenen Lebens. Deutlich wird dies an Irminas Bericht von der Geburt ihres ersten Kindes Edmund Andres an Heiligabend 1944. "Als sie die Brücke in Trittenheim bombardierten, ging die Hebamme grade drunter durch." Glücklicherweise sei es aber nur ein Blindgänger gewesen. Zur Taufe habe sich der Pfarrer daher lieber selbst auf den Weg gemacht, statt Leib und Leben einer ganzen Familie zu gefährden. Dennoch lebte Irmina mit ihrem zweiten Mann Leonhard noch bis vor wenigen Jahren in der Felsenmühle, in der eine der Töchter das Weingut Ritz betreibt. Die Probleme früherer Generationen sind heute Geschichte. Lediglich der holprige Weg, der hinunter zur Breitwiese führt, scheint hartnäckig an diese Epoche erinnern zu wollen. Doch der Eindruck eines verlassenen Fleckens, wo die Zeit stehen blieb, täuscht. Zu den alten Häusern - Andres-Geburtshaus und Müller-Mühle, heute Weingut Müller-Faß - hat sich ein Neubau gesellt. Aktuell leben in diesem Teil der Gemeinde Trittenheim, der zur Pfarrei Leiwen gehört, 13 Menschen. Im benachbarten Dhrönchen sind es samt Zweitwohnsitzen 15. Die meisten Breitwieser gehören einer Familie an, der von Alfons Faß. "Wir möchten gar nicht mehr weg"

Ehefrau Hildegard erinnert sich noch an Andres, der oft bei ihrer Mutter vorbeischaute, und an dessen Frau, die für die Kinder immer Bonbons hatte. Doch sie weiß auch noch von den 45-minütigen Fußmärschen zur Schule. "Im Winter ging es schneller", lacht die 57-Jährige. Da sei es kalt und dunkel gewesen, und sie hätten sich beeilt, und wenn sie die ledernen Schulranzen als Schlitten nutzten, ging's noch flotter. Faß, der seit 1968 auf der Breitwiese lebt, kennt die Vor- und Nachteile. "Man hat die Hektik vielleicht nicht wie in der Stadt", doch mit Familie sei das nicht einfach. So müssten Eltern ihre Kinder selbst zur Schule fahren, und einkaufen könne auch keiner zu Fuß. Seine Nachbarn hat das aber nicht schrecken können, sich im Geburtshaus von Andres niederzulassen. Als Torsten und Bianca Manikowski von dem zum Verkauf stehenden Haus erfuhren, war der historische Hintergrund für sie zweitrangig. Was sie faszinierte, war die Lage am Bach, die Stille, die Natur und die ganze Umgebung. Doch auch "die alten Häuser und der Brunnen" hatten es ihnen angetan. Nachdem sie zwei Kinder bekommen haben und sehen, wie ungestört diese spielen können, steht für sie fest: "Wir möchten gar nicht mehr weg."

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