Der Erinnerung eine Form geben

GREIMERATH. Mit dem Verlust von Religiosität und der Auflösung traditioneller Trauerkultur kann der Tod für Hinterbliebene so unfassbar sein, dass sie nach einer Möglichkeit suchen, ihn zu begreifen, zu verarbeiten. Die Bildhauerin und Kulturpädagogin Christine Nicolay bietet ihnen einen Weg, ihrer Trauer eine Form zu geben.

"Als ich mit dem Bildhauerstudium fertig war, sprach mich eine Freundin an. Sie wollte für ihren verstorbenen Lebensgefährten ein Grabmal gestalten. Sie hat damit angefangen, ich habe es fertig gemacht", sagt Christine Nicolay. Diese Möglichkeit, durch gemeinsames Arbeiten an einem Grabmal Halt und Kraft zu finden, haben seither mehrere Menschen bei der Künstlerin gesucht und gefunden. Ein Bild für das schwerste Adieu

"Ein Mann hatte durch den plötzlichen Tod seines Bruders keine Gelegenheit, sich von ihm zu verabschieden. Er hat bei mir einen Stein gehauen und ihn gespalten. Das war ein Bild für den Bruch, den der Verlust des Bruders gebracht hat. Man kann den Tod ja nicht vermeiden, aber man kann ihn gestalten", erklärt die Greimeratherin weiter, die die Erfahrung gemacht hat, dass der Prozess des Schaffens eines Grabmals nicht nur der Erinnerung an den Verstorbenen eine Form gibt. Die Arbeit helfe auch den Hinterbliebenen bei der Bewältigung der Trauer, so dass sie Hoffnung schöpften, um den Weg ins Leben wiederzufinden. "Ich habe das als ganz bewussten Schritt gemacht. Ich finde es schlimm, dass der Tod ein Tabu-Thema geworden ist, die Trauerkultur verloren geht, denn sie hilft den Betroffenen. Jeder geht seinen letzten Gang, dessen muss man sich bewusst sein. Dieses Bewusstsein hebt die Endgültigkeit auf", meint die Bildhauerin, die sich auch beim Trierer Lebenscafé, einem offenen Treff für trauernde Menschen innerhalb des Trauernetzwerks, engagiert. "Dort hat allein die Vorstellung, dass man am Grabmal mithelfen kann, manchen auf andere Gedanken gebracht, raus aus dem Rondell im Kopf, das die Trauer bewirkt."Das Gemeinschaftliche hilft

Christine Nicolay steht den Hinterbliebenen nicht nur mit ihren künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten zur Seite, sondern sie versucht, beim Gestaltungsprozess Familie oder Freunde des Toten miteinzubinden: "Es ist wichtig, die Situation nicht alleine bewältigen zu müssen. Das Gemeinschaftliche hilft, und die künstlerische Weise der Verarbeitung. Da entsteht etwas, das man greifen kann, das hilft vielleicht zu begreifen. Das ist mein Weg", meint Christine Nicolay, deren künstlerisches Konzept innerhalb dieses Dialogs durchaus zur Debatte steht: "In Absprache mit drei Schwestern habe ich einmal einen Stein nach allen Regeln der Kunst behauen. Als sie kamen, meinten sie, der sei ja fürchterlich. Da muss ich konsequent sein, denn mein Angebot steht ja, mit ihnen zusammen den Stein zu hauen. Die Drei haben ihm richtig die Ecken abgeschlagen. Ich war dankbar, dass sie sagten, vorher sei er unmöglich gewesen. Hätten sie nichts verändert, hätten sie ja keinen Bezug zu ihm aufbauen können. Dann wäre alles umsonst gewesen. Jetzt ist er ein Symbol ihrer Geschwisterkraft." Infos über die Bildhauerin und Kulturpädagogin gibt es im Internet unter www.christine-nicolay.de oder unter Telefon 06574/900877. Auch andere Bildhauer und Steinmetze sind möglicherweise bereit, Angehörige am Grabmal mitarbeiten zu lassen: einfach fragen. Wer generell Begleitung und Hilfe sucht: Das Lebenscafé in Trier bietet jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat ein offenes Treffen für Angehörige, die über ihre Trauer in einer Gemeinschaft sprechen möchten. Unverbindliche Informationen gibt es dazu bei der Katholischen Familienbildungsstätte, 54290 Trier, Krahnenstraße 39 b, Telefon 0651/74535.

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