Der gläserne Gast

BERNKASTEL-KUES. Wer später einmal ein Hotel leiten will, braucht neben Kenntnissen in Betriebswirtschaft vor allem Informationen über seine Gäste. Die Schüler der Hotelfachschule Bernkastel lernen, wie wichtig Gast-Orientierung ist.

 Die Rezeption ist die Infobörse eines Hotels. Zum guten Service gehört es auch, dort die Wünsche der Gäste aufzunehmen und so schnell wie möglich zu erfüllen.Foto: Esther Kuhn

Die Rezeption ist die Infobörse eines Hotels. Zum guten Service gehört es auch, dort die Wünsche der Gäste aufzunehmen und so schnell wie möglich zu erfüllen.Foto: Esther Kuhn

"Wenn der Gast findet, dass der Wein korkt, dann korkt er, auch wenn er gar nicht korkt", sagt Sonja Binz. Die Schülerin der Hotelfachschule Bernkastel-Kues kennt die Regel Nummer 1: Der Gast hat (fast) immer Recht. "Wer in der Hotelbranche erfolgreich sein will, muss sich dem anpassen, was die Gäste wollen," sagt Karlheinz Franzen, Leiter der Hotelfachschule. Guter Service bedeutet jedoch mehr als perfektes Bedienen im Restaurant. Gast-Orientierung nennt der Fachmann das Zauberwort. Im ersten Schritt bedeutet dies, herauszufinden, was die Gäste wollen, um dann das Angebot diesen Erwartungen anzupassen. "Deutsche Urlauber zum Beispiel wollen alles entdecken und ein Stück weit das Leben in einer fremden Kultur miterleben", sagt Karim Abid, der mit 15 Jahren im Hotel seiner Mutter in Hammamet, Tunesien, die Branche und die Menschen kennen lernte. "Franzosen wollen dagegen die Nächte durchfeiern, Spaß haben. Und Italiener wollen, dass alles wie in Italien ist". Also bietet man Deutschen Ausflugstouren, Franzosen heiße Partynächte und Italienern italienische Abende, weiß der 22-jährige Schüler, der die höhere Berufsfachschule für Hotelmanagement besucht.Nicht nur die Nationalität der Gäste, sondern auch die Urlaubsregion, die sich aussuchen, sagt etwas über ihre Erwartungen aus: "Zu uns an die Mosel kommen meist ältere Touristen und wenig Familien", erzählt Sonja Binz, die im Hotel ihres Vaters in Bernkastel-Kues mithilft und den Abschluss der Hotelbetriebswirtin anstrebt, um irgendwann den Familienbetrieb zu übernehmen.Moseltypisch sind nach ihrer Beobachtung die Bustouristen, die immer nur ein paar Stunden bleiben und preisgünstig eine Kleinigkeit essen wollen. Dann gibt es die Fahrradtouristen, die nur einmal übernachten und dann weiter ziehen. Wer länger verweilt, ist meistens schon älter, sucht Entspannung und erwartet gleichbleibende Qualität. Die Ausstattung darf nicht zu modern sein, aber es soll sauber, ordentlich und gemütlich sein. "Und sie wollen reden, erzählen, was sie den Tag über erlebt haben und nicht das Gefühl haben, dass sie eine anonyme Nummer sind", sagt Sonja.Besserer Service durch Computertechnik

"Wenn man weiß, was die Gäste wollen, und sein Angebot darauf ausgerichtet hat, dann gehört zur Gast-Orientierung natürlich auch der Umgang mit den Gästen", erklärt Karlheinz Franzen. Freundlich sein und Wünsche erfüllen sei das Wichtigste, ganz gleich, ob in Tunesien oder an der Mosel.Das bedeutet im Umkehrschluss auch, sich und seine Laune zu kontrollieren. Karim kommt seine südländische Mentalität zu Gute. In seiner Heimat seien die Menschen in der Umgang miteinander sowieso sehr zuvorkommend, Freundlichkeit müsse man nicht antrainieren. "Wer einen Beruf in der Hotelbranche anstrebt, muss Freude an ständig wechselnden Menschen, ständig wechselnden Arbeitssituationen haben", sagt Karlheinz Franzen. Und nörgelnde Gäste dürften einen nicht aus der Ruhe bringen. Wie gehe ich mit Beschwerden um? Auch solche Fragen werden in der Hotelfachschule theoretisch besprochen und in Rollenspielen geübt.Spätere leitende Angestellte und Hotelmanager müssen auch im Beschwerdemanagment fit sein. Doch hierbei ist Erfahrung ein guter Ratgeber, wie Sonja findet: "Man darf Nörgeleien nicht persönlich nehmen. Zum Beispiel sind Gäste oft sehr genervt, wenn sie nach einer langen Autofahrt im Hotel ankommen. Am nächsten Tag sind sie wie ausgewechselt."Wer jedoch als notorischer Motzky auffällt, bekommt in vielen Hotels einen "Eintrag" im Computer. "In der so genannten "Guest history" wird vermerkt, ob ein Gast auffallend unangenehm war", sagt Franzen. "Wenn er wieder kommt, sind alle gleich gewarnt."Der "gläserne Gast" wird dadurch immer mehr zur Realität. Abgesehen von Charakter-Eigenschaften, wird vor allem notiert, wo der Gast Umsatz gebracht hat. Individuelle Gast-Orientierung durch ein computergesteuertes Hotel: Genau auf dieser Trendwelle will Karim Abid nach seinem Abschluss mitschwimmen. Der junge Mann, der nebenher Informatik studiert, träumt davon eine Soft-Ware-Firma zu gründen und Programme zu entwickeln, über die zum Beispiel eine Minibar meldet, dass die Cola aus ist. Mit der Zeit zu gehen gehört seiner Meinung nach auch zum guten Service.Im Hotel Binz in Bernkastel gibt es noch keine gläsernen Gäste. Die Anmeldungen noch ganz klassisch in einem Buch vermerkt. Ob ein Gast notorisch gemotzt oder besonders viel Trinkgeld gegeben hat, ist für die Mitarbeiter von ihrer eigenen Festplatte im Gehirn abrufbar.Informationen zu den Ausbildungswegen Hotelbetriebswirtschaft oder Hotelmanagment unter www.hofa-bernkastel.de oder unter Telefon 06531/4046.

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