Dichter Apollinaire war Gast in der Villa Böcking

TRABEN-TRARBACH. (red) Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe und der spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. waren keineswegs die einzigen prominenten Besucher im heutigen Mittelmosel-Museum in Traben-Trarbach. Auch der berühmte französische Dichter Guillaume Apollinaire war 1902 Gast in der Barockvilla der einstigen Trarbacher Kaufmannsfamilie Böcking.

Apollinaire, der mit bürgerlichen Namen eigentlich Wilhelm de Kostrowitzky hieß, gilt als eine der großen Schlüsselfiguren beim Aufbruch der europäischen Kultur in die Moderne in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Sowohl als Schriftsteller, vor allem als Lyriker, wie auch als Journalist und Kunsttheoretiker hat er diesen einschneidenden Epochenwandel entscheidend mitgeprägt. Doch bevor Apollinaire seinen späteren dichterischen Ruhm erringen sollte, war der 21-jährige arbeitslose Gelegenheitsjournalist im Sommer 1901 in Paris von Élinor Vicomtesse de Milhau aus der Kölner Großkaufleutefamilie Hölterhoff angestellt worden. Ein ganzes Jahr, vom August 1901 bis August 1902, verbrachte der noch unbekannte Dichter so als Hauslehrer der neunjährigen Tochter der Vicomtesse in Honnef und Andernach am Rhein. Im Zuge dieses Aufenthaltes begleitete Apollinaire die Vicomtesse auf mehreren Moselreisen. Dabei machten sie auch im Mai 1902 in Trarbach Station. Herausgefunden hat dies Ingrid Hollmann aus dem Eifelort Bengel. "Ich habe mich immer für neuere Kunst und Literatur interessiert", berichtet die Lehrerin im Ruhestand, die Geschichte, Germanistik und Kunst studierte. "Dabei stößt man mehr oder weniger zwangsläufig auf Apollinaire." Über die "Gesellschaft der Freunde Apollinaires" lernte das Ehepaar Hollmann den Rechtsanwalt Helmut von Fisenne kennen. Fisenne entstammt nicht nur der rheinischen Kaufmannsfamilie Hölterhoff, sondern ist, wie sich bald herausstellte, damit auch unmittelbarer Nachfahre der Böckings in Traben-Trarbach: War doch Maria Hölterhoff, die Mutter der Vicomtesse de Milhau, eine Enkelin des Ehepaares Ludwig und Dorothea Böcking, die im November 1792 Goethe zu Gast hatten. 110 Jahre später besuchte die Vicomtesse ihre Großtante Eleonore Böcking in Trarbach. Dass die Vicomtesse bei diesem Verwandtenbesuch von Guillaume Apollinaire begleitet wurde, steht außer Zweifel. "Die Korrespondenz Apollinaires mit seiner Mutter in Paris während seines Moselaufenthaltes und seine Berichte an verschiedene Zeitungen in Paris bekunden eindeutig die Anwesenheit in Trarbach 1902", erklärt Ingrid Hollmann. Die Apollinaire-Forscherin verweist unter anderem auf einen Brief seiner Mutter aus Paris, der am 15. Mai 1902 in Paris abgesandt wurde und bereits am folgenden Tag im Trarbacher Postamt angekommen war. Am 24. Mai 1902 veröffentlichte die Zeitschrift "Tabarin" in Paris einen Artikel Apollinaires, in dem der Dichter Trarbach und vor allem das dortige Hotel "Adolph" - das spätere "Schloss"-Hotel - in den höchsten Tönen pries. "Wenn im Monat Mai die Veilchen und der Wein blühen, gibt es keinen schöneren Ort der Erholung als Trarbach. Im Hotel Adolph sollte man den "herrlichen süßen Maiwein trinken", schrieb der Dichter. Ingrid Hollmann will die Ergebnisse ihrer Nachforschungen nicht nur im kommenden Kreis-Jahrbuch veröffentlichen. Darüber hinaus hat die Apollinaire-Forscherin eine Informationsbroschüre zusammengestellt. Auf mehr als 50 Seiten und illustriert mit zahlreichen Fotos und Dokumenten gibt sie Auskunft über die Hintergründe von Apollinaires Moselbesuch und Einblicke in Leben und Werk des berühmten französischen Dichters. Den größten Teil der ersten Auflage schenkte die Autorin dem "Förderverein Mittelmosel-Museum", dem auch der Verkaufserlös zugute kommen soll. Die Broschüre "Guillaume Apollinaire. Dichter der Moderne. Gast im Böcking Haus in Trarbach 1902" von Ingrid Hollmann ist zum Preis von sechs Euro im Museum erhältlich.

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