Dicke Luft in der Unterstadt

MANDERSCHEID. Es brodelt in der Manderscheider Unterstadt: Unruhe gab es wegen einer Initiative zur Verkehrsberuhigung der unteren Kurfürstenstraße, die sich an den Ministerpräsidenten wandte. Doch die Probleme in dem Stadtteil scheinen tiefgreifender zu sein.

"Die Art und Weise, wie hier vorgegangen wurde, ist bemerkenswert." So lautete der Kommentar des unüberhörbar verärgerten Manderscheider VG-Bürgermeisters Wolfgang Schmitz zu dem Vorgehen einer 30-köpfigen Gruppe von Eltern, die sich per Brief an den "Landesvater" in Mainz gewandt hatten wegen einer Verkehrsberuhigung. Im Visier hatte die Gruppe die untere Kurfürstenstraße in Manderscheids Unterstadt, in der viele Kinder unterwegs sind. Die Angelegenheit dürfte VG-Bürgermeister Schmitz allein schon deshalb ein Dorn im Auge sein, weil seine Verwaltung aufgrund der Initiative zusätzliche Arbeit bekam: Muss sie doch nun eine Anfrage aus der Landeshauptstadt zu den Zuständen in Manderscheid beantworten. Als Ansprechpartner der Elterninitiative hatten Uwe und Ulrike Spinner fungiert. "Als nicht direkt Betroffene wollten wir zwischen Politik und Eltern vermitteln", sagt Ulrike Spinner. Die Spinners wohnen zwar in der unteren Kurfürstenstraße, haben selbst aber keine Kinder. Mit den Worten "Man war ja selbst mal Kind", erklären sie ihr Engagement für die kleinen Bürger, deren Sicherheit sie in dem Viertel rund um den Marktplatz, in dem auch viele Touristen mit dem Auto unterwegs sind, gefährdet sehen. Laut ihrer Darstellung fanden die Eltern weder bei der Stadtbürgermeisterin Christel Praum noch bei der Verwaltung mit dem Anliegen Verkehrsberuhigung Gehör - was die betroffenen Stellen bestreiten. Für die Spinners war dies jedoch der Grund, den Brief an Kurt Beck zu schreiben, den die 30 Erwachsenen und 25 Kinder unterschrieben. In Mainz stießen die Manderscheider auf offene Ohren, doch verwies man die Initiative nach Rücksprache wieder an die Verwaltung vor Ort. Nach langem Hin und Her sollte es kürzlich ein Treffen geben mit Eltern, den Spinners, der Bürgermeisterin und anderen Vertretern der Stadt. Doch die Eltern hatten offensichtlich allesamt kalte Füße bekommen, sie ließen den Termin platzen. Enttäuscht von dieser Reaktion zogen die Spinners, die sich bei der Verwaltung und Mainz entschuldigten, nun von jeglichem Engagement zurück. Kurfürstenstraße steht auf der Agenda

Gestorben ist das Thema Kurfürstenstraße deshalb noch nicht. Stadtbürgermeisterin Christel Praum versicherte: "Beim Arbeitskreis Städtebausanierung steht das Thema auf der Tagesordnung." Der Arbeitskreis befasst sich mit der Gestaltung des Marktplatzes und der Umgebung und soll bis Ende des Jahres Ergebnisse vorlegen. Wie zahlreiche Gespräche bei der Recherche zu diesem Artikel ergaben, ist die Diskussion um eine Verkehrsberuhigung jedoch nicht das eigentliche Problem in Manderscheids Unterstadt. Insider reden von einem "kleinen sozialen Brennpunkt". Fakt ist: Vor wenigen Jahren wurde in dem Viertel ein Haus für sozialen Wohnungsbau fertig gestellt, in dem etwa zehn Parteien wohnen. Hinzu kommen weitere sozial Schwache, in den kleinen Häusern des alten Stadtteils, die offensichtlich - gerade im heißen Sommer - gerne auf der Straße leben. Gediegenere Anwohner, die nicht mit Namen genannt werden wollen, schimpfen über Lärm bis in die Nacht, den dieses "Straßenleben", bei dem auch oft Alkohol mit im Spiel sei, verursache. Die Polizei ist wegen Ruhestörung und Streitereien öfter zu Gast in dem Viertel. Es kursieren dort - wie Wolfgang Schmitz bestätigt - viele anonyme Briefe mit Beschuldigungen, von Gerüchten ganz zu schweigen. Die Atmosphäre scheint vergiftet. Wolfgang Moritz, Beigeordneter der Stadt mit Erfahrung in der Sozialarbeit, sagt dazu: "Alle Parteien müssten sich an einen Tisch setzen und dann die Probleme offen besprechen." Um die Probleme jedoch wirklich zu beheben, glaubt er, wäre ein Sozialarbeiter nötig. Doch auch ihm ist klar: Für so was fehlt das Geld.

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