Die Angst bleibt

ENKIRCH. Die Enkircher erhalten seit Samstag wieder ihr Trinkwasser aus dem Brunnen im Ahringstal. Doch die Angst bleibt: Ist das Trinkwasser auch in Zukunft, wenn die neue Rollbahn auf dem Flughafen Hahn fertig ist, noch gesund und unbelastet? Viele Enkircher haben Zweifel. Und diese Zweifel konnte auch Dr. Ulrike Lenhard vom Gesundheitsamt des Kreises am Freitagabend auf der Bürgerversammlung nicht ausräumen.

Wieder war der Saal im Enkircher Teerstegenhaus voll, wieder war eine große Betroffenheit zu spüren ob der Vorgänge der vergangenen Wochen. Krebs erregende Stoffe waren im Trinkwasser festgestellt worden (der TV berichtete), worauf der Brunnen am 7. September von der Kreisverwaltung geschlossen wurde. Nachdem neue Proben gezogen und keine erhöhten Werte mehr festgestellt wurden, läuft das Wasser aus dem Brunnen seit letztem Samstag wieder in die Haushalte.Für den Flughafen aber auch für sauberes Wasser

Verbandsgemeindebürgermeister Ulrich K. Weisgerber, der in den vergangenen Wochen und Monaten in der Sache unzählige Telefonate führte, Proben ziehen ließ, Experten kontaktierte, Gutachten auswertete und mit übergeordneten Behörden verhandelte, sagte zu Beginn: "Keiner will Stimmung machen, es geht um sachliche Informationen. Heute werden die Akten etwas geöffnet."

Vergangene Woche hatte der Flughafen erklärt, es werde versucht, Stimmung zu machen, und es würden grundlos Ängste geschürt. Weisgerber dazu: "Die große Mehrheit der Bevölkerung ist für den Flughafen Hahn, aber die Bürger wollen auch dauerhaft gutes Wasser trinken. Beides ist möglich, man muss es nur wollen."

Rund eine Stunde lang dauerte dann die Power-Point-Präsentation, in der Weisgerber akribisch exakt, mit Fotos und schriftlichen Dokumenten unterlegt alles auflistete, was sich bislang ereignet und wie die VG-Verwaltung reagiert hatte.

Weisgerber zeigte Fotos von toten Fischen im Großbach, von neuverlegten Abwasserrohren unterhalb eines neu aufgeschütteten Wirtschaftsweges, die in den Quellbereich des Waschbaches führen. In diesem neuen Wirtschaftsweg, der parallel zur neuen Rollbahn verläuft, waren mehrere tausend Tonnen giftiger teer- und pechhaltiger Straßenaushub verbaut worden (der TV berichtete). Inzwischen, so Weisgerber, ist der Sondermüll wieder ausgebaggert und abgefahren worden, vermutlich in den Rhein-Hunsrück-Kreis, aber keiner weiß genau wohin. Weisgerber zeigte ferner Fotos vom Konversionsgelände Wittlich, von wo aus, so seine Vermutung, belastetes Abbruchmaterial zum Hahn gefahren und dort verbaut wurde. Dabei wäre es, so Weisgerber, einfacher und auch billiger gewesen, natürliches und unbelastetes Material aus einem Steinbruch ganz in der Nähe vom Hahn zu verwenden.

Der VG-Chef listete weitere Ungereimtheiten auf: Die SGD Nord veranlasste die Räumung des im Quellgebiet des Waschbaches verbauten giftigen Sondermülls, stellte aber gleichzeitig fest, dass eine Gefährdung des Enkircher Trinkwasserbrunnens nicht gegeben sei. Außerdem sollte, so die Aufsichtsbehörde, die Enkircher Bevölkerung nicht informiert werden, weil die Staatsanwaltschaft in der Sache ermittle.

Ungereimtheiten auch bei den Probemessungen: Die Analysen der Verbandsgemeindewerke zeigten erhöhte Naphthalin-Werte, die der SGD Nord nicht. Der Grund: Das Labor der SGD Nord arbeitet mit einer wesentlich höheren Nachweisgrenze.

Weisgerber sagte es zwar nicht in aller Deutlichkeit, aber jeder konnte folgende Fragen heraushören: Werden womöglich Proben manipuliert? Gibt es eine stillschweigende Übereinkunft von Behörden, dem Flughafen bei seinem Bauvorhaben keine Steine in den Weg zu legen?

Keine Hinweise, dass Flughafen Verursacher ist

Fragen, auf die sich Dr. Ulrike Lenhard, Geschäftsbereichsleiterin Gesundheitswesen bei der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich, nicht einließ, sondern die sachlich ihre Bewertung vortrug. Die Schließung des Trinkwasserbrunnens sei rein vorsorglich veranlasst worden. Die gemessenen Werte an Naphthalin seien im Normalbereich. Der Stoff komme überall vor. Weil er weniger schädigend sei als andere PAK (polycyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), gebe es auch keine Grenzwerte, sondern lediglich eine Empfehlung. Dabei sollten 100 Nanogramm pro Liter nicht überschritten werden.

Lenhard: "Bei jedem anderen Brunnen hätten wir bei diesen gemessenen Werten keine Maßnahme getroffen. In Enkirch haben wir vorsorglich so gehandelt, weil in dem Wirtschaftsweg die teerhaltigen Substanzen eingebaut wurden." Man habe zusammen mit der Kripo die Bachläufe untersucht und keine Schadstoffquelle gefunden. Lenhard: "Wir haben bei unseren Nachforschungen nichts gefunden, das der Flughafen der Verursacher ist."

Weisgerber machte aber auf ein weiteres Problem aufmerksam: Schwerer lösliche und gefährlichere PAK als das nachgewiesene Naphthalin hätten sich im Bach abgesetzt und könnten in den Trinkwasserbrunnen gelangen. Er zitierte dabei ein wissenschaftliches Gutachten. Darin heißt es: "Fazit ist, dass auf der gesamten Bachlänge zurzeit PAK in Lösung oder an Bachpartikel gebunden sein dürften, es jederzeit zu Auswaschungsprozessen kommen kann, insbesondere durch die spätere Nutzung des Flughafens und durch den damit verbundenen und genehmigten regulären Eintrag von Tensiden und Enteisungsmitteln in den Bach."

Die Bürger brachten in zahlreichen Wortmeldungen ihre Sorge zum Ausdruck, stellvertretend für die meisten meinte einer: "Warum baut der Flughafen keine Kläranlage? Dann wäre das Problem gelöst."

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