Die Bibliothek bleibt im Kopf

WITTLICH. 35 Jahre führte Norbert Werth ein Familienunternehmen: die 1903 vom Großvater gegründete Buchhandlung Fischer-Weins. Sie bleibt als Bücher Stephanus ein inhabergeführtes Geschäft. Norbert Werth bleibt privat den Büchern treu.

"Jetzt selbst hier Bücher kaufen, an dem Gedanken muss ich noch arbeiten. Aber ich habe ein sehr gutes Gefühl", sagt Norbert Werth. Der Buchhändler schlägt ein neues Kapitel auf: Geschäftsübergabe und Auszug aus der riesigen Wohnung direkt über "seinen" Büchern. "Milliuunen" Stunden - würden Wittlicher sagen - hat er mit ihnen verbracht, beruflich wie privat, und auch gerne mit Kunden auf Platt parliert. "Haast dau die och aal gelähsn?", hat ihn mancher gefragt. Das und auch die scherzhafte Drohung: "Dann geh ich zu der Riepings", ist jetzt so zusagen "Wedlia"-Buchhandlungs-Geschichte. "Ende der Woche ist Schluss", sagt Norbert Werth. Aber nur beruflich, sein Hobby ist und bleibt Lesen. Kein Wunder, wenn man als Zwölfjähriger im Geschäft schon mal erste Jugendbuch-Empfehlungen wagte und noch heute sagen kann: "Ein anderer Beruf? Nein, mir ist nie eine richtige Alternative eingefallen." Allerdings will er nun vermehrt in die Pedale einer seiner drei Räder steigen oder reisen - nach Prag vielleicht. Er fischt einen Reiseführer Tschechien aus dem Regal. Ein anderer Termin steht: "Nächste Woche besuche ich erstmals ein Musical über Queen in Köln." Klassiker der Rock und Pop-Geschichte wie Joe Cocker und Sting hat er auf der Bühne erlebt. Und naturgemäß auch Stings Autobiografie gelesen. Was ihn als Kind gefesselt hat? "Moby Dick" - auch ein Klassiker, für den es - anders als bei Liedern - kein zweites Mal gab. Wieder gelesen hat er Melvilles Roman nicht. Das hält er generell so mit Büchern. Seine Bibliothek hat er im Kopf. Deshalb fällt ihm beim Umzug das Adieu zu manchem Buch nicht schwer. "Ich bin kein Sammler", sagt er. Und er belastet sich nicht als Pflichtübung mit Texten - Beruf hin oder her: "Wenn es mir sprachlich nicht passt, dann lege ich das Buch weg." "Augen zu und durch" war bei der Lektüre nie seine Devise: "Auch wenn es ein Titel aus der Bestseller-Liste war. Ich konnte den Kunden sagen, ‚Nein, das habe ich nicht gelesen.‘" Und an welche lokalen Geschichten erinnert sich der Buchhändler, der immer einen Platz für Literatur aus der Region im Laden hatte? "Da waren die ersten Besuche im Gasthaus Mehs, samstagnachmittags mit meinen Eltern. Da wurden angeregte Gespräche geführt. Ich war Zuhörer und durfte schon mal ein erstes Bier trinken. Das war für mich ein kleines Ereignis." Damals gab es ja noch kein Fernsehen. Macht dieses Medium dem Buch Konkurrenz? "Wir haben auch Leser durch das Fernsehen gewonnen. Es ist ja egal, was man liest, die Hauptsache ist erst einmal, dass man liest. Und nach Pisa ist festzustellen, dass Eltern bewusst Kinder zum Lesen hinführen. Aber auch Kinder können ihre Zeit nur einmal vergeben, und da gibt es neben dem Buch etwa den Computer." Wenn nun auch für ihn mehr Zeit zum Lesen, aber auch fürs Reisen bleibt, was werden Urlaubsbekanntschaften sagen, wenn er seinen Beruf, Buchhändler, nennt?: "Es gibt Leute, die können sich nichts darunter vorstellen. Ansonsten ist man schnell eingespannt in eine Gespräch über Bücher. Eine negative Reaktion aber hatte ich bis heute nicht."

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