Die Geschichte geht voran

DREIS. Die St. Martinskirche ohne Priester, verwaiste Häuser an der Durchgangsstraße oder weiterhin ein lebendiger Ort? Im Rahmen der Heimat-Serie wirft der TV einen Blick in die nahe Zukunft von Dreis.

Was es wohl Positives aus Dreis im Jahr 2020 zu berichten gibt? Das weltberühmte Waldhotel Sonnora, Hauptgewerbebetrieb im Ort, steigert seine Übernachtungszahlen, sorgt weiter dafür, dass "Dreis in aller Feinschmecker Munde ist", die Gemeindekasse gefüllt wird und: Es wird auch in der nächsten Generation in Familienhand bleiben. Aber steht auch der Zunftbaum noch, was ist mit den Häusern in seiner Nachbarschaft, die direkt an der freien Reichsstraße stehen? Wird die Straße "aussterben", hat der Verkehr wieder zugenommen, weil die Mautgebühr vor dem A60-Teilstück abschreckt? Die Dreyshalle macht der Gemeinde Sorgen

Wenn die Dorfsanierung geklappt hat, locken dort frei gewordene Häuser vielleicht die, denen ein eigenes Dach überm Kopf lieber ist als eine Eigentumswohnung in der Stadt. Zwischenzeitlich wurde außerdem das ein oder andere Haus abgerissen, um Platz für eine begrünte Dorfecke mit Sitzbank zum Plaudern oder Platz zum Parken zu schaffen, denn ohne Auto läuft ja nichts mehr. Dafür schwingt man sich am Wochenende als Ausgleich aufs Rad, denn der Weg nach Salmtal an der L 50 lockt. Und während anderenorts der Bevölkerungsrückgang die kleinen Orte ausbluten lässt, arbeitet die nächste Dreiser Generation am Fortbestehen der Dorfgeschichte: Im Kindergarten und in der Grundschule sind die Gruppen und Klassen zwar kleiner, aber die Existenz der Einrichtungen bleibt gesichert. Nur die Dreyshalle macht der Gemeinde Sorgen: Anstehende Sanierungsarbeiten sind zu teuer. Ein schwerer Schlag auch für das Vereinsleben, doch dafür ist im Wittlicher Haus der Vereine der ein oder andere Termin frei, und das frühere Konversionsgebiet der Stadt liegt ja quasi "am Weg". Die früher starken Vereinsstrukturen haben sich zum Teil sowieso aufgelöst, denn nicht jeder Zugezogene engagiert sich in der Gemeinschaft. Allerdings haben die Dreiser auch die Einkaufsmöglichkeiten Wittlichs stark genutzt. Jetzt kommt einmal die Woche ein Bäckerauto. Frische Brötchen im Ort, das war einmal. Dafür hat sich Dreis als Kulturstandort etabliert. Zu Freiluftkonzerten im Schlossgarten kommt man gerne. Möhnen werden in Wittlich aktiv

Im Rahmen der Dorfsanierung hat man außerdem, angeregt durch den früheren St. Martinsmarkt, überlegt, zum Abschluss des Projekts zu einem riesigen Flohmarkt in den Winkeln und Gassen einzuladen. Von nah und fern kamen die Leute, und der Dreiser Flohmarkt ist zum festen Termin geworden. Übrigens hat der Ort eine gewisse Berühmtheit wegen seines Wassers erlangt: Zwar wurde dem vor Jahren bekanntlich wegen einer veränderten Trinkwasserverordnung mal die Qualität abgesprochen, obwohl das Wasser selbst gleich geblieben war, später allerdings hat man eine besondere Heilwirkung entdeckt. Jetzt wird das Dreiser Wasser besonders in China wegen seiner besonderen Zusammensetzung geschätzt. Und was ist mit dem "Möhnenwein?" Der wird mittlerweile auch in Wittlich ausgeschenkt, aber nur an Weiberdonnerstag. In der Säubrennerstadt sind nämlich die Möhnen ausgestorben. Gerne haben die Dreiserinnen die spektakuläre Rathauserstürmung in Wittlich übernommen, die traditionelle Erbsensuppe für die Wittlicher wird ja sowieso schon seit alters her in Dreis gekocht. Im Gegenzug hat die Stadt in ihrem Heimatmuseum, das im Konversionsgebiet entstanden ist, eine Dauerausstellung der vielen historischen Aufnahmen des Dreiser Fotoclubs Blende 90 eingerichtet. Die örtlichen Handwerksbetriebe haben sich übrigens allesamt zu Fachleuten in Sachen Restaurierung alter Bausubstanzen einen überregionalen Ruf verschafft. Und noch etwas haben die Dreiser geschafft: In der barocken Pfarrkirche St. Martin werden noch regelmäßig Messen gehalten, sogar eine monatlich in Latein, denn wie heißt es im historischen Wappen?: "Sub Manu Solius Dei" - Unter der Hand des alleinigen Gottes.

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