Die Hindernisse im Kopf müssen zuerst weg

Bernkastel-Kues · Bernkastel-Kues hat viele schöne Winkel: Speziell für Menschen mit Behinderungen sind sie aber nicht immer zu erreichen. Christina Guth hat die Altstadt mit den Augen dieser Menschen betrachtet. Ihre Ergebnisse und Vorschläge sind nun auch der Öffentlichkeit zugänglich.

 Der im Rollstuhl sitzende Frank Schäfer hat Christina Guth einen Teil des Weges, hier am Marktplatz, begleitet. TV-Foto: Clemens Beckmann

Der im Rollstuhl sitzende Frank Schäfer hat Christina Guth einen Teil des Weges, hier am Marktplatz, begleitet. TV-Foto: Clemens Beckmann

Bernkastel-Kues. Warum kommen unzählige Besucher in die Bernkasteler Altstadt? Um in eine andere Welt einzutauchen. Um die mittelalterliche Atmosphäre mit teils schiefen Fachwerkhäusern und engen, nicht immer geraden und manchmal auch steilen Gassen und Bürgersteigen zu bewundern. Im Rollstuhl sitzende Menschen, Sehbehinderte, Leute mit Kinderwagen und das immer größer werdende Heer der Nutzer von Rollatoren haben es auf solch einem Terrain schwer.
Die 26 Jahre alte Christine Guth aus Rapperath hat sich mit dieser Situation befasst und ihre Bachelorarbeit darüber geschrieben. Die Frau, die in Bernkastel-Kues ihr Abitur gemacht hat, studiert in Kaiserslautern Stadt- und Regionalentwicklung. Ihre Arbeit entwickelte sie im Fach Raumplanung. Der Titel: Neue Wege für die Barrierefreiheit - Strategien und Gestaltungsvorschläge.
Christina Guth hat nicht den Stein der Weisen gefunden. Weder zeigt sie im Einzelnen Schwachstellen auf noch bietet sie eine exakte Anleitung zur Besserung. Das zu erwarten, wäre auch zu viel verlangt. Wofür brauchte es dann Leute, die mit Stadt- und Regionalentwicklung ihr Geld verdienen. "Die Arbeit ist ein Handlungsfaden", sagt Stadtbürgermeister Wolfgang Port.
Aber es gibt klare Aussagen: Guth sieht das vielerorts verlegte Kopfsteinpflaster als Hindernis. Gerade dieser an das Mittelalter erinnernde Belag ist aber vor Ort gewollt. Hier intelligente Lösungen zu finden, dürfte eine Herausforderung sein. Das Manko für Sehbehinderte: Wegen der Außenbestuhlung von Cafés und Lokalen sowie den Warenständern vieler Geschäfte fehle die Orientierungshilfe, kritisiert die Studentin. Sie schlägt vor, Stühle und Tische einzufrieden, damit klare Linien für Menschen mit Behinderungen entstehen.
Wie ist Guth zu ihren Einschätzungen gekommen? Sie hat sich mit einem Blinden und einem Rollstuhlfahrer auf den Weg durch die Altstadt gemacht. Im Selbstversuch, mit Blindenstock und Rollstuhl, hat sie weitere Erfahrungen gesammelt.
Einer ihrer Wünsche könnte ohne große Probleme umgesetzt werden. Auf einem speziellen Plan könnte die Richtung vorgegeben werden, wie die Strecken in der Altstadt am leichtesten zu bewältigen sind. Guth animiert auch die Gewerbetreibenden, sich aktiv zu beteiligen. "Mit Barrierefreiheit kann gut geworben werden", sagt sie.
Eine weitere Anregung, die sie bei der Betrachtung anderer Städte gefunden hat: eine Selbstverpflichtung der Kommune, die Barrierefreiheit bei Planungen zu berücksichtigen. Guth weiß, dass allein aus Kostengründen nicht auf einen Schlag überall Abhilfe zu schaffen ist. Wenn aber Bauarbeiten anstünden, sollte die Barrierefreiheit eine Rolle spielen.
In Bernkastel-Kues ist, so die Meinung von Vertretern des Bauausschusses, schon manches erreicht worden. Einige Behörden seien längst problemlos zu erreichen, das Verwaltungsgebäude der Verbandsgemeinde werde ebenfalls in diesen Zustand versetzt. Genauso wie die Burg Landshut, das Wahrzeichen der Stadt. "Es gibt ein Bewusstsein", sagt Rolf Kröhner. "Es gibt aber noch viel Arbeit, um es in die Köpfe zu bringen", glaubt Stadtbürgermeister Port. Gerade in der Geschäftswelt gebe es gute aber auch immer noch viele schlechte Beispiele.
Viel, so Christine Guth, spiele sich in den Köpfen ab. "Das Allerwichtigste ist, ein Bewusstsein für Barrierefreiheit zu schaffen", sagt sie.
Schließlich könne jeder in die Lage kommen, auf sie angewiesen zu sein, um am normalen Leben teilnehmen zu können.

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