"Die Menschen wollen doch nur in Frieden leben"

Südossetien, das kleine Land im Kaukasus, von dessen Existenz bislang nur die Wenigsten etwas wussten, steht seit Wochen im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Für kurze Zeit herrschte dort Krieg, Menschen wurden getötet, viele Häuser zerstört. Anchela Oberkehr aus Traben-Trarbach stammt aus dem krisengeschüttelten Land. Kurz vor den Kampfhandlungen war sie mir ihrem Ehemann dort.

 Anchela Oberkehr hält ein Foto mit ihrer Mutter in der Hand.TV-Foto: Winfried Simon

Anchela Oberkehr hält ein Foto mit ihrer Mutter in der Hand.TV-Foto: Winfried Simon

Traben-Trarbach. (sim) Die Bilder, die Edgar Oberkehr vor etwa acht Wochen in Südossetien gemacht hat, zeigen ein armes, aber auch schönes Land. Die Gebirgszüge und Täler erinnern an Österreich, nur etwas "wilder und unaufgeräumter" erscheint die Landschaft. In dem 1000-Einwohner-Dorf Hetagurovo wurde Anchela, die Ehefrau von Edgar Oberkehr, vor 36 Jahren geboren.

Vor wenigen Wochen war dort Krieg. Raketen schlugen ein, und es wurde geschossen. Mindestens ein Dutzend Dorfbewohner verloren ihr Leben, zahlreiche Häuser wurden zerstört. Auch Anchelas Elternhaus wurde in Mitleidenschaft gezogen. Eine Granate traf die Scheune, zehn Meter vom Wohnhaus entfernt. In dem Haus lebt Anchelas Mutter. Im Juli waren Anchela und Edgar Oberkehr dort.

Ortsvorsteher riet ihnen im Juli zur Abreise

 Anchela Oberkehr stammt aus dem südossetischen Dorf Hetagurovo. Das Gebäude links wurde Anfang August von einer Rakete getroffen und zerstört. Foto: privat

Anchela Oberkehr stammt aus dem südossetischen Dorf Hetagurovo. Das Gebäude links wurde Anfang August von einer Rakete getroffen und zerstört. Foto: privat



Im Juli erlebten sie noch einige unbeschwerte Tage, obwohl sich damals bereits der Konflikt mit Georgien zuspitzte. Sei erfuhren von einem Attentat auf einen Polizisten im Nachbarort und hörten nachts Schüsse. Der Ortsvorsteher riet zur Abreise: "Die Georgier provozieren uns. Es wird noch schlimmer. Ihr müsst hier weg." Am 28. Juli verließen Edgar und Anchela Oberkehr Südossetien.

Seit dem Jahr 2005 lebt Anchela Oberkehr im Traben-Trarbacher Stadtteil Kautenbach. Ihre Mutter war einmal in Deutschland zu Besuch. Die Fotos zeigen eine glückliche und stolze Frau. In der Nacht zum 8. August begannen die Kriegshandlungen zwischen den Südosseten und Georgiern. Die 75-jährige Frau, die eine Kuh und Hühner besitzt und einige Felder mit Mais, Obst und Gemüse bestellt und sich so fast vollständig selbst versorgt, erlebte die vielleicht schlimmsten zwei Wochen ihres Lebens. Fünf Tage saß sie mit ihrer Tochter, die aus der wenige Kilometer entfernten Hauptstadt Zchinwali gekommen war, Bekannten und Nachbarn in einem Keller. Dann flüchteten sie zu Fuß über Berge und durch Wälder nach Russland, wo sie in einem Lager untergebracht waren. Nachdem russische Truppen einmarschiert waren, kehrten sie in ihr Dorf zurück. Fünf Tage konnte Anchela Oberkehr ihre Mutter übers Handy nicht erreichen. Sie machte sich große Sorgen, ist aber, seitdem sie ihre Mutter in ihrem Haus wieder in Sicherheit weiß, etwas beruhigt. Am Montag berichtete die 75-Jährige am Telefon, dass sie vier Säcke Mehl und Waschpulver bekommen habe.

"Es geht mir wieder besser", hat sie ihrer Tochter gesagt. Mit Wehmut erinnert sich Anchela Oberkehr an die Zeit, als es zwischen den Völkern im Kaukasus keine Probleme gab. Als Jugendliche war sie Mitglied in einem Leichtathletikverein in Zchinwali. Sie trainierte mit Osseten, Russen und Georgiern. "Wir waren befreundet und haben uns alle gut verstanden. Die Menschen wollen doch nur Frieden."

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